Vortrag von Dr. Bertold Heizmann, Essen, am 4. November
Alle Beiträge von Bernd Kemter
Unsere Mehrtagesfahrt 2025
Mehrtagesfahrt vom 4. bis 7. September 2025
Wir begaben uns wieder einmal auf die Märchenstraße. Erstes Ziel war das Münchhausen-Museum in Bodenwerder. Hier erfuhren wir voiel Interessantes über die Abenteuer des „Lügenbarons“. Holzminden war unser nächster Ort, in dem wir drei Tage verweilen würden. Es lohnte sich! Am Anderen Tag erlebten wir den Rattenfänger in Hameln, eine kleine Stadtbesichtigung und vor allem eine wunderschöne Schifffahrt auf der Weser. Auch wurde die Hämelschenburg (Weser-Renaissance) besucht. Am Samstag unternahmen wir einen Abstecher nach Eschershausen, wo wir von Bügermeister Friedhelm Bandke und seinem Mitarbeiter Dirk Stapel freundlich empfangen wurden. Unter ihrer Führung besichtigten wir das Wilhelm-Raabe-Haus.
Das Mühlen-Freilichtmuseum in Gieselwerder mit ca, 60 Objekten war unser nächstes Ziel. In liebevoller Kleinarbeit waren auf dem Gelände sehenswerte Objekte, vor allem Mühlen, des Weserlandes aufgebaut worden.
Am Sonntag unternahmen wir noch einen Kurzausflug nach Corvey. Das 1.200 jährige ehemalige Benediktinerkloster Corvey ist seit 2014 Weltkulturerbe der UNESCO. Hier befindet sich das älteste und einzige fast vollständig erhaltene Karolingische Westwerk der Welt, sowie einzigartige archäologische Relikte der Karolingerzeit. Daher ist Corvey von außergewöhnlichem universellem Wert.
Fotos: Joachim Rödel
Am Rattenfängerhaus in Hameln
Sommerausklang
Zugfahrt nach Weimar am Samstag, 18. Oktober 2025: Besuch der Ausstellung zur Entstehung des „Faust“ im Goethe- und Schiller-Archiv, 11 Uhr, Bummel im Zentrum und Mittagessen, 15.30 Uhr Seebach-Forum Konzert mit Liedern von Robert Schumann u.a., Prof. Martin Högner (Klavier) und Bernd Schneider (Tenor). Gesonderte Information wird bereitgestellt.
Schillers Idee der Freiheit – Heute
Vortrag von Hanskarl Kölsch, München, am 30. Septemer 2025
Der Referent zog mehrere Werke Schillers heran, um dessen Idee der Freiheit zu illustrieren. Im Weiteren wird der Gedankengang wiedergegeben – unter Verzicht auf direkte Werkezitate. Zu Beginn bezog sich der Referent auf „Don Carlos“. Marquis Posa bemerkte, dieses, (sein) Jahrhundert sei für sein Ideal nicht reif. Er lebe als Bürger jener Jahrhunderte, die dereinst noch kommen werden. Posa ist der Ansicht, nur Carlos sei in der Lage, die Vision eines freien Staates zu verwirklichen. Posa opfert sich nach Intrigen (Liebe Carlos zu seiner Stiefmutter, der Gemahlin des Königs und Vaters wird ruchbar, Briefaffäre der Prinzessin Eboli) seinem Freund. Posas Ideal ist die Vision Platos: Das Wahre, Schöne und Gute sind Eines. Von der Eigenliebe schreitet der Mensch zur Nächstenliebe und von da zur Liebe zu allen Menschen. Carlos geht in den Kerker. Der Vater, der spanische König Philipp II., ist untröstlich, hat er doch eine natürliche Zuneigung zu seinem Sohn. Er befragt den Großinquisitor, selbiger antwortet: „Geben Sie ihn mir, vor der Kirche gibt es keine Stimme der Natur.“
Auch im „Wallenstein“ wird das Thema Freiheit behandelt. Selbiger will handeln, ohne schuldig zu werden. Doch hat Wallenstein dem Kaiser Treue geschworen. Bedeutsam ist in diesem Sinne der Monolog im dritten Akt. Wallenstein kann sich nicht entscheiden, ohne schuldig zu werden. Es gelingt ihm nicht. Somit bleibt er unfrei. Dabei hatte er doch die Möglichkeit, Europa zusammenzuschweißen.
Die Hinrichtung der schottischen Königin Maria Stuart (1542–1587) nach langer englischer Gefangenschaft übernimmt Schiller als Theaterstoff aus dem festen Repertoire des europäischen Dramas. Hier steht Lord Leicester zwischen zwei Frauen. Bedeutsam ist wieder der dritte Akt. Darin treffen sich die beiden Rivalinnen (historisch nicht passiert) Maria und Elisabeth, Königin von England. „Der Thron von England ist von einem Bastard entehrt“, so lautete Marias Vorwurf, womit sie sich selbst das Urteil spricht. Angesichts des bevorstehenden Todes findet sie zu einer vollkommenen Harmonie ihrer Seelenkräfte, zu einem Ausgleich mit der Welt und mit Gott. Dies führt nicht zu einer Unterdrückung ihrer Gefühle, sondern, wie sich bei ihrer letzten Begegnung mit Leicester zeigt, zur Fähigkeit, sie souverän und angemessen zu artikulieren. In diesem Drama wird Maria Stuart – ein schon entseelter Geist – zur schönen Seele der Weimarer Klassik. Sie schwingt sich empor zur ewigen Freiheit. Auch sie verkörpert das Wahre, Schöne und Gute.
Auch die „Jungfrau von Orleans“ erfährt ein dramatisches Schicksal im Namen der Freiheit. Ihr wird geweissagt: Solange du Männerliebe nicht erfährst, wirst du dein Volk retten. Dies ist ihr göttlicher Auftrag. Doch sie erfährt die höchste Freiheit in ihrer Freiheit des Willens. Damit verliert sie jedoch ihren göttlichen Schutz. Doch ihr bleibt die Gewissheit: Nur die Liebe kann alles lösen.
In „Wilhelm Tell“ verkörpert Landvogt Geßler die Idee des Bösen. Er will, dass der Mensch den Menschen vernichtet. In dem Schauspiel geht es um den erfolgreichen Widerstand der drei Schweizer Waldkantone Uri, Schwyz und Unterwalden gegen den Versuch des habsburgischen römisch-deutschen Königs Albrecht, die Kantone seiner Hausmacht einzuverleiben. Die Hauptfigur Wilhelm Tell wird gegen seinen Willen in den politischen Konflikt hineingezogen, als der grausam regierende Landvogt ihn zwingt, auf einen Apfel zu schießen, der achtzig Schritte entfernt auf dem Kopf seines Sohnes liegt. Tell ermordet, nachdem er den Apfel getroffen hat und dennoch gefangen gesetzt wird, den Landvogt und provoziert damit die vorzeitige Ausführung des von einer größeren Verschwörung bereits geplanten Aufstands. Notwehr gegen Gewaltherrschaft ist das eigentliche Thema. Freiheit ist ein Naturrecht, doch nur der Mensch wird womöglich zunächst in Fesseln geboren.
Goethe als Vordenker der Klimakatastrophe
Vortrag von Dr. Manfred Osten, Bonn, am 2. September 2025
Die Wahrheit der Natur war Goethe wichtig. Er erkannte, dass die Natur etwas Hochkomplexes ist. Der Mensch darf in ihre unendlichen Wechselwirkungen nie ungestraft eingreifen. Die Natur duldet keine Späße des Menschen. Wir leben nicht mehr in der Kultur des Sehens, wir leben vor allem in einer digitalen Welt. Aber wir dürfen die Natur nicht nur theoretisch betrachten, das Anschauen ist besonders wichtug.
Goethe hat sich zunächst mit dem Erdreich beschäftigt – im Zusammenhang mit dem Ilmenauer Bergbau. Hinzu kam die Welt der Pflanzen, das Pflanzenreich, das Tierreich und der Mensch. Die Metamorphose von Pflanze und Tier, dies birgt das Geheimnis der Natur, in das wir nicht ungestraft eingreifen dürfen. Der Tod ist der Trick, immer viele Leben zu haben. Lynkeus: zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt. Dem folgen wir leider nicht, wir verharren in Theorien. Aber wenn wir die Welt nicht ansehen, hat die Welt ihr Ansehen verloren.
1774 beschleicht Goethe die Ahnung, dass der Mensch möglicherweise seinen Planeten und sich selbst vernichten könnte. Es ist dies „die Krankheit zum Tode“, wie es sich im „Die Leiden des jungen Werther“ spiegelt. Goethe hat die Natur angeschaut und sie nicht theoretisiert.
Sein Urerlebnis der Apokalypse geschah, als er 1790 mit seinem Herzog nach Schlesien ging, dort militärische Übungen erlebte. Wichtiger war ihm jedoch, den Betrieb der ersten Dampfmaschine auf preußischem Boden zu erleben., die „Feuermaschine von Tarnowitz“. Er wusste nun, das Maschinenzeitalter wird kommen wie ein Gewitter und wird uns brechen. Davon zeugt auch sein Festspiel der Pandora. Prometheus brachte als freundliches Geschenk dem Menschen das Feuer. Es ist mit Schrecken verbunden, denn dank seiner Hilfe folgt nun die Folterung der Erde und die Ausbeutung ihrer fossilen Stoffe. Wir fackeln die fossilen Ressourcen ab, dies in Gestalt von Schmiedegesellen, die Prometheus bei ihrem Treiben beobachtet. Die Priorität fossiler Energieerzeugung ist zum obersten Prinzip der Weltverwertung geworden. Damit geht die grenzenlose Steigerung der Produktion einher. Damit steigt der Konsum, Goethe ahnt die Wegwerf-Gesellschaft vorweg.
Der Mensch bleibt immer Zögling der Elemente und somit auch der (sauberen) Luft. Die fossilen Wälder schufen einst einen Überschuss an Sauerstoff, wodurch wir überhaupt erst leben können. Doch seit dem 20. Jahrhundert schrillen die Alarmglocken. Übermäßige Mengen an frei werdendem Kohlendioxid schädigen das Klima. Jetzt erst, mit 200-jähriger Verspätung, setzt die Menschheit auf Nachhaltigkeit. Rettung ist möglich, wenn wir die Welt entgiften. „Möge die Idee des Reinen in mir immer wichtiger werden“, sagt Goethe. Im „Buch der Parsen“ beschreibt er die notwendige Reinheit der drei Elemente. Goethe behandelt dies als reines Vermächtnis der Menschheit:
„Und nun sei ein heiliges Vermächtnis
Brüderlichem Wollen und Gedächtnis:
Schwerer Dienste tägliche Bewahrung,
Sonst bedarf es keiner Offenbarung.“
Das sei alles, was wir wissen müssen.
Er erkennt, dass der Vorgang der Erdnutzung immer mehr exploitieren müsse, wenn und weil Geschwindigkeit ein Machtvorteil mit sich bringt und Kapital akkumuliert. Franklin: Time is money. Das ist die ungeheure Wirklichkeit. Goethe antizipiert bereits 1825 die Maßlosigkeit der industriellen Gesellschaft. Und er weiß, was dies bedeutet: Keiner kennt sich mehr. Wir leben über unsere Verhältnisse. In allen Bereichen erleben wir Beschleunigung, alles ist ultra. Durch die absolute Rangerhöhung des Kapitals wird der Mensch zum Humankapital.
Faust lebt nach diesen Prinzipien., Mephisto gibt ihm alles und sofort. Die Natur wird als Kapitalressource gratis ausgebeutet. Dafür stehen bei Faust Landgewinnung, Kanalbau, aber auch die Vernichtung der Idylle von Philemon und Baucis. Die Sorge erscheint, Faust kommt das natürliche Atemholen abhanden, er erstickt zu Tode und bereitet sich zur Hölle. Faust bleibt ohne Therapievorstellungen. Anders Lynkeus: Er sieht die Verbrechen. Er hat die Dinge angeschaut, um die Natur in ihrem ursprünglichen Sinne zu verstehen.
Wir müssen Gier, Besitz, Kapital einen neuen Eigentumsbegriff zugrunde legen. Nur durch Mäßigung können wir uns erhalten. Goethe:
„Ich weiß, daß mir nichts angehört Als der Gedanke, der ungestört Aus meiner Seele will fließen, Und jeder günstige Augenblick, Den mich ein liebendes Geschick Von Grund aus läßt genießen. |
Jeder Trost ist niederträchtig, Verzweiflung allein ist Pflicht. Es ist die Ungeduld, die uns aus dem Paradies vertrieb. Selbstdisziplinierung wird wichtig in unserer Zeit
Der Schriftsteller Hans Fallada – Patient in Tannenfeld und seine Lehrzeit in Posterstein
Vortrag von Marlis Geidner-Girod, Nöbdenitz, am 1. April 2025
Wie eine Schlittenfahrt geht mein Leben. 250 Jahre Goethe in Weimar
Vortrag von Dr. Thomas Frantzke, Leipzig, am 4. März 2025
Am 11. Dezember 1774 treffen sich Karl Ludwig Knebel (1744 – 1834, Lyriker, Übersetzer, sowie „Urfreund“ von Johann Wolfgang Goethe) und Goethe in Frankfurt/M. Erbprinz Carl August und Prinz Constantin befinden sich da gerade auf Reise nach Frankreich. Auch sie finden sich bei Goethe ein. Carl August ist insbesondere von „Götz von Berlichingen“ fasziniert. Sie unterhalten sich jedoch nicht über Literatur, sondern über Justus Mösers Reformschrift „Patriotische Phantasien“. Darin geht es auch um Fürstenerziehung, ganz im Sinne der europäischen Aufklärung.
Allerdings steht Goethe zu dieser Zeit in spöttelnder Gegenerschaft zu Wieland, der ja Prinzenerzieher am Weimarer Hofe war. Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) war Dichter, Übersetzer und Herausgeber, einer der bedeutendsten Schriftsteller der Aufklärung im deutschen Sprachgebiet und der Älteste des klassischen Viergestirns von Weimar, zu dem neben ihm Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller gezählt werden.
Wieland schrieb, angeregt durch Glucks „Alceste“ (1767), 1773 zusammen mit dem Kapellmeister Anton Schweitzer das Singspiel „Alceste“ in deutscher Sprache. Dem Stürmer und Dränger Goethe missfiel dieses sachte, glatte Rokoko-Spiel, er verfasste in jugendlichem Ungestüm die gewagte Farce „Götter, Helden und Wieland“. Selbiger reagierte weltmännisch, indem er den Druck im „Teutschen Merkur“ anzeigte und Goethes Farce in der Juni-Ausgabe 1774 seiner Zeitschrift als Meisterstück von Persiflage lobte.
Goethe, dem der Wind aus den Segeln genommen war, erhielt durch seine Freunde Karl Ludwig von Knebel und Friedrich Heinrich Jacobi sowie durch Wielands Jugendfreundin Sophie von La Roche Hilfe beim Friedensschluss und schrieb im Dezember 1774 einen Versöhnungsbrief an Wieland. Goethes Wechsel nach Weimar brachte die Annäherung, die in Goethes Spruch vom Juli 1776 gipfelte: „Mit Wieland hab‘ ich göttlich reine Stunden. Das tröstet mich viel.“
Im Mai 1775, als Carl August seine Verlobte in Karlsruhe besuchte, zeigte sich Goethe entzückt von Luise. Und er urteilte: „[Der künftige] Herzog Carl August kam, und er ist mir gut.“ In dieser Situation signalisierte Goethe, sich alsbald mit Wieland zu versöhnen. Während der Hochzeit von Carl August mit Luise lädt der Souverän den Dichter nach Weimar ein. Goethes Vater bleibt skeptisch, er sieht den Sohn „im Fürstendienst“. Am 7. November kommt Goethe in Weimar an. Er wohnt zunächst bei der Familie von Kalb (Sächsischer Hof), es sind die ersten vier Monate. Dann – 1776/77 – zieht er um auf den Burgplatz, schließlich ins Fürstenhaus (Ständehaus), der heutigen Musikhochschule für Musik, in dem Carl August nach dem großen Schlossbrand Quartier nehmen musste. Natürlich bewohnte er auch das Gartenhaus an er Ilm, allerdings nur in der warmen Jahreszeit.
Ende 1775 fehlte dem kleinen Herzogtum der Generalsuperintendent, der Landesbischof. Goethe regte Herder an, seinen ursprünglichen Plan auf Göttingen zu verzichten und nach Weimar zu kommen, „weil es hier einiges zu tun gibt“. Er will Herder, den Jugendfreund aus Straßburgs Tagen, bei sich haben. Allerdings gab es etwa 150 Pfarrer im Land, die sich ebenfalls Chancen auf die Stelle ausrechneten. Vergeblich.
Zwischen Goethe und dem Herzog entwickelte sich bereits in den ersten Wochen eine enge Freundschaft. Ein „wildes Genie-Treiben“ des 18-jährigen Souveräns und seines um acht Jahre älteren Freundes setzte ein, unbekümmert um die prekäre Lage des Herzogtums. Dagegen galt der Gothaer Hof auch in finanzieller Hinsicht als vorbildlich.
Goethe sinnt nicht nur auf literarischen Lorbeer und eigene Werke, er möchte auch eine wesentliche Rolle auf dem „Welttheater“ spielen. Gegenüber seinem Freund Johann Heinrich Merck (1741 – 1791), Darmstädter Herausgeber, Redakteur und Naturforscher, Rezensent, Essayist, Erzählungen, äußert er, seine Lage sei recht vorteilhaft. Seine Hauptkonditionen habe er durchsetzen können: Freiheit für seine Werke und sein „Genügen“ (finanzielles Auskommen).
Das wilde Treiben kommt im Reich und schon gar nicht im Herzogtum selbst nicht gut an. „Mir wird heimlich die Schuld gegeben, dass der Herzog nicht nach ihrer Pfeife [des Hofes] tanzt.“ Die Streiche der beiden schockieren den Hof und die Leute. Beispiele: Peitschenknallen auf dem Weimarer Marktplatz, Einmauern der Tür zur Ausflugswohnung der Göchhausen, Katze im Butterfass. Trinkgelage sind an der Tagesordnung, weil sich der Herzog „abhärten“ muss. Knebel kritisiert, und Charlotte von Stein meint, Goethe verderbe des Herzogs Charakter. Die Hofetikette scheint außer Kraft gesetzt.
Konflikte gibt es bei den Ernennungen. Man beklagt, dass die Beförderungen ausschließlich Leuten – wie dem jungen Sprössling von Kalb – zugute kommen, die nur der Unterhaltung dienen. Dieser Konflikt entzündet sich insbesondere bei der Wahl zum Geheimen Consilium, dem Geheimen Rat. Dieses Conseil war das höchste politische und gerichtliche Gremium im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach der Frühen Neuzeit. Es unterstand direkt dem Herzog und war die zentrale Behörde des Herzogtums, die allen sonstigen Behörden sowie auch der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek vorstand. In diesem Gremium wurden nicht nur alle wichtigen politischen Entscheidungen im Staat getroffen, sondern auch Beschlüsse gefasst, die zur Hinrichtung bei Kapitalverbrechen führten.
Das Conseil bestand zu jener Zeit aus drei Männern: dem Herzog selbst, Christian Friedrich Schnauß (1722–1797), Beamter und Politiker und Jakob Friedrich von Fritsch (1731–1814), sächsischer Staatsmann. Nun sollte noch Goethe hinzukommen. Dagegen gab es große Vorbehalte. Fritsch wollte sogar seine Demission einreichen, falls Goethe Aufnahme finden würde. Dem widersetzte sich der Herzog. Klopstock ermahnte Goethe, was selbiger sich verbat.
Doch Goethe wandelte sich. Er bemühte sich um ein gutes Verhältnis zu Fritsch, übernahm vielfältige Verwaltungsaufgaben wie den Ilmenauer Bergbau, die Jenaer Universität, Kriegs- und Wegewesen. Er will für das Gemeinwohl, für den Herzog Gutes bewirken, 1782 wird er geadelt.
Die Herzoginmutter Anna Amalia hilft, Fritsch wird ihr vertrautester Berater. Er habe einen falschen Eindruck, ihr Sohn sei von Ehrenmännern umgeben: „Suchen Sie ihn [Goethe] kennenzulernen.“ Fritsch bleibt Anna Amalia zuliebe und um für das Land positiv wirken zu können. Goethe verhält sich devot zu Fritsch. Er bemüht sich um Reformen, verkleinert beispielsweise das Heer von 600 auf 300 Soldaten. Dennoch sind die Widerstände enorm, so dass Goethe gegen 1785 resigniert. Sinngemäß meint er: Wer sich mit der Administration abgibt, ohne ihr Herr zu sein, ist ein Schelm, ein Narr …
Der Herzog bleibt ihm freundschaftlich verbunden. Und auch sonst festigt sich allmählich seine Stellung im Land an der Ilm. Charlotte von Stein wird seine große Liebe. Freunde stellen sich ein, Herder ohnehin, den er ja nach Weimar geholt hatte. Es entwickeln sich Freundschaften zu Wieland (später abkühlend), Knebel, zum Kreis um Anna Amalia, zu Einsiedel, zum Hoffräulein von Göchhausen (die den „Urfaust“ abschreibt und somit überliefert). An Charlottte schreibt er, wie lieb ihm das Land inzwischen geworden ist. „Es kamen mir Tränen in die Augen“.
Klopstock, das ist mein Mann (Goethe)
Vortrag von Steffi Böttger, Leipzig, am 11. Februar 2025
Friedrich Gottlieb Klopstock (* 2. Juli 1724 in Quedlinburg; † 14. März 1803 in Hamburg) war ein deutscher Dichter. Er gilt als wichtiger Vertreter der Empfindsamkeit. Heute wird er kaum verstanden, wenig gelesen. Sehr zu Unrecht, wie die Referentin deutlich werden ließ. Immerhin gehörte er im 19. Jahrhundert zu den erfolgreichsten Schriftstllern. Auf der anderen Seite gilt ungeachtet Lessings Urteil: Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? Nein. Wir wollen weniger erhoben und fleißiger gelesen sein.
Die Verlegenheit ist mit Händen zu greifen.
Geboren in einer wohlhabenden Familie, 17 Geschwister, in Quedlinburg, erfolgte ein sozialer Abstieg. Dennoch kam der 15-Jährige zu weiterer ausbildung an die Fürstenschule Pforta. Schon dort begann er zu dichten, das waren vor allem Heldengedichte im klassischen Versmaß des Hexameter. Er wollte Homer der Deutschen sein. Er ordnete alles diesem Ziel unter, brach wohl auch deshalb sein Theologiestudium ab. In der wöchentliche Zeitschrift Neue Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes – den „Bremer Beiträgen“ – erschienen die ersten drei Gesänge seines berühmtesten Werkes, des „Messias“, nach einer Prosafassung nun in Hexametern. Sie lösten leidenschaftliche Diskussionen aus. Diese Verse bekamen auch der anakreontische Dichter Friedrich Hagedorn sowie der Schweizer Philologe Johann Jakob Bodmer in Zürch zu Gesicht. Letzterer verwendete sie als „Waffe“ gegen den der Aufklärung verpflichteten „Literaturpapst“ Johann Christoph Gottsched in Leipzig. Somit richtete sich die Kirtik vor allem gegen die Überbetonung des Verstandes in der Dichtung. Briefe wurden gewechselt, es setzte eine redaktionelle Arbeit ein, die zudem tiefe Eingriffe nach sich zog, was sich ein heutiger Autor nie gefallen lassen würde. Zusehends mehrten sich auch kritische Stimmen. Bei alldem wurde der „Messias“ immer bekannter. Vier Drucke entstanden innerhalb von vier Jahren und dies bei einem noch nicht einmal vollendeten Versepos eines gerade einmal 24-Jährigen. In der Endfassung kam der „Messias“ auf rund 20 000 Verse.
Klopstock verliebte sich in die 17-jährige Maria Sophia Schmidt. Die junge Dame sandte jedoch widersprüchliche Signale aus, letztlich fand sie keinen Gefallen an dem mittellosen Studienabbrecher. Klopstock begann wegen seiner Liebe – sie allegorisierendend als Daphne (Nymphe, in die sich Apollo verliebte), Laura (Figur bei Petrarca), Fanny – ein unwürdiges Geschacher mit Gott. Er habe ein Recht auf ihre Liebe, forderte verwegen „seine Fanny“ als Gottesgeschenk: „Gib sie mir, die du erschufst“. Andererseits verpflichtete er sich zu leidenschaftlicher Huldigung des Allerhöchsten. Ein Geschenk, ein Geschäft? Klopstock Er schrieb auch die Ode: „An Fanny“.
In Goethes „Werther“ taucht der Name Klopstock ebenfalls auf. Es ist der Moment, in dem Werther sich in Lotte verliebt. Sie sagt „Klopstock“, da sie das während einer ländlichen Lustbarkeit aufziehende Gewitter an Klopstocks Ode „Die Frühlingsfeier“ erinnert. Diese Ode verknüpft Realität mit Phantasie; dies ist neu und bezeugt Klopstock als Dichter der Empfindsamkeit. Allerdings ist es auch riskant, die eigenen Liebeserlebnisse öffentlich zu machen. Und: Gegen die Kaprizen einer 17-Jährigen sind sogar der Allmacht Gottes Grenzen gesetzt.
Finanzielle Probleme bleiben nicht aus. So schreibt Klopstock an seinen Gönner Bodmer mit der Bitte um Versorgung; dies auch, um seinen „Messias“ vollenden und möglicherweise sogar Fannys Hand gewinnen zu können. Er reist 1750 nach Zürich. Bodmer bemüht sich und agiert sogar – erfolglos – als Heiratsvermittler. Sein Brief an Fanny kommt jedoch nicht an, ihr Bruder hält das Schreiben zurück, da ihm die ganze Lächerlichkeit der Affäre bewusst ist. Klopstock benötigt jedoch eine besoldete Stelle. So folgt er acht Monate später dem Ruf Friedrich V. an den dänischen Hof. Er nimmt sich viel Zeit, besucht auf seinem Weg nach Kopenhagen seine Mutter in Quedlinburg, seine Fanny in Langensalza und Freunde in Hamburg. Hier lernt er Margareta Moller, seine Meta, eine junge, hübsche und sehr gebildete Frau kennen. Sie wechseln empfindsame Briefe.
In Kopenhagen konnte er sein Werk vollenden. Friedrich gewährte ihm eine Lebensrente von jährlich 400 (später 800) Talern. Drei Jahre blieb der Dichter in Dänemark, ohne größeren Verpflichtungen folgen zu müssen.
1754 konnte er seine Meta heiraten. Sie wurde seine Mitarbeiterin, Korrektorin und Kritikerin. Die 600 Taler reichten freilich für die Haushaltsführung nicht aus. Die aus begüterter Familie stammende Meta fügte sich jedoch klaglos. Die Ehe verlief glücklich. Meta starb jedoch schon am 28. November 1758 bei einer Totgeburt. Ihr Verlust bedeutete für ihn eine nie heilende Wunde. Dreißig Jahre hindurch konnte Klopstock sie nicht vergessen und besang sie in seinen Elegien, zum Beispiel in „Das Wiedersehen“. Erst im hohen Alter (1791) heiratete er die Hamburgerin Johanna Elisabeth Dimpfel verw. von Winthem (1747–1821), welche eine Nichte von Meta Moller war. Seine Liebesgedicht an Meta wie „Das Rosenband“ wurden jedoch oft verkannt.
Politische Gedichte waren zwar an den dänischen König Friedrich V. gerichtet, waren aber eigentlich an den preußischen Souverän Friedrich II. gerichtet, dessen Kriege der Dichter allerdings verurteilte.
Neben dem Messias, der endlich 1773 vollständig erschien, schrieb Klopstock Dramen, darunter „Die Hermanns Schlacht“ (1769). Er wandte sich dann nach Hamburg. Hier gründete er eine Lesegesellschaft zur Verbreitung deutscher Literatur. Diesem Kreis gehördeten auch Damen an, um anstößiger Literatur vorzubeugen. Es erschien der Band „Ode“, in einer Prachtausgabe und einem billigerem Exemplar. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Im Dichterkreis „Göttinger Hain“ (Voß, die Stolbergs, Bürger) wurde Klopstock hoch verehrt: „Der Bund ist heilig“, während man Wielands Werke und dessen Porträt verbrannte.
Klopstocks aufgeklärte Utopie „Die deutsche Gelehrtenrepublik“ (1774) ist ein Konzept, das für die als regierungsunfähig angesehene Fürstenherrschaft eine gebildete Elite in die Macht einsetzt. Die Republik soll von „Aldermännern“, „Zünften“ und „dem Volke“ regiert werden, wobei den ersteren – als den gelehrtesten – die größten Befugnisse zukommen sollte, Zünften und Volk entsprechend weniger. Der „Pöbel“ hingegen bekäme höchstens einen „Schreier“ auf dem Landtage, denn Klopstock traute dem Volk keine Volkssouveränität zu. Bildung ist in dieser Republik das höchste Gut und qualifiziert ihren Träger zu höheren Ämtern. Entsprechend dem gelehrsamen Umgang geht es in dieser Republik äußerst pazifistisch zu: Als Strafen zwischen den Gelehrten veranschlagt Klopstock Naserümpfen, Hohngelächter und Stirnrunzeln.
Klopstock begrüßte begeistert die Französische Revolution, blieb ihr auch in der Jakobiner-Schreckensherrschaft 1793/94 treu. Nur gegenüber Herder räumte er dies als großen Fehler ein.
Klopstock setzte sich als einer der ersten für Autorenrechte ein. Er versandte Ankündigungen seiner Werke, ließ im Selbstverlag drucken. Die Buchhändler/Verleger seien nur darauf aus, sich „am Autorenhirn zu mästen, während der Autor von Brosamen vom Tisch der Reichen leben muss“. Er kam auf immerhin 3480 Subskribenten, bei einer Auflage von 3655 Stück. Aus seiner Geburtststadt Quedlinburg ging indes keine einzige Bestellung ein.
1776 zog er auf Einladung Markgraf Karl Friedrichs von Baden vorübergehend nach Karlsruhe. Doch die steife Hofetikette misshagte ihm, daher zog er wieder nach Hamburg. 1797 erschien bei Göschen/Leipzig die Gesamtausgabe seiner Werke.
Nach seinem Tod am 14. März 1803 im Alter von 78 Jahren wurde er am 22. März 1803 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung neben Meta auf dem Friedhof der Christianskirche in Hamburg-Ottensen beigesetzt. An der Begräbnisfeier sollen ca. 50 000 Menschen teilgenommen haben. In den „Xenien“ feiert Goethe den Dichter: „Klopstock, der ist mein Mann, der in neue Phrasen gestoßen,/Was er im höllischen Pfuhl Hohes und Großes vernahm.”