Rückblick

„Wie kann ich seyn ohne Ihnen zu schreiben? Goethes Briefe an Frau von Stein“

Vortrag von Dr. Elke Richter, Weimar, am 6. Oktober 2015

Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar und des Goethe- und Schiller-Archivs geben Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter Goethes Briefe – Historisch-kritische Ausgabe – heraus. Dabei umfasst der dritte Band, herausgegeben von Georg Kurscheidt und Elke Richter – die Briefe zwischen 8. November 1775 bis Ende 1779.
Es gibt 1770 Briefe Goethes an Charlotte von Stein, davon 1600 im ersten Weimarer Jahrzehnt. Die Briefe sind seit 100 Jahren im Goethe- und Schiller-Archiv aufbewahrt. Der Hauptteil ist in sieben Konvoluten überliefert. Die Briefe sind chronologisch geordnet. Sie wurden 1896 von der Familie Stein für 75 000 Reichsmark erworben. Es handelt sich um einen sehr wertvollen Bestand. Nur 90 Briefe sind von Charlotte erhalten. Dass Goethe ihre anderen Briefe verbrannt habe, dafür gibt es keinen Beleg. Erst in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts setzten Bemühungen ein, Charlotte von Stein auch als eigenständige Person wahrzunehmen. Dies ging einher mit der Entdeckung ihrer literarischen Werke, denn sie war auch Schriftstellerin.
Als Hoffräulein diente sie bei Herzogin Anna Amalia. 1764 schied sie aus dem Hofdienst aus. Ihre Ehe verlief nicht ganz ohne Liebe. Zwischen 1764 und 1774 gebar sie sieben Kinder, vier starben bereits als Säuglinge.
Goethe wurde anfangs argwöhnisch betrachtet, seine Freundschaft zum Herzog angefeindet. Allerdings war sie eifrige Leserin des „Werther”. Der Schweizer Arzt Johann Georg Zimmermann übernahm die Mittlerrolle zwischen ihr und Goethe. Am 7. Januar 1776 schrieb Goethe an Charlotte einen Brief: über ihre „lieben Briefe, die mich peinigen.” Später schrieb er ihr allerdings nur noch selten Briefe, da beschäftigte er für seine Korrespondenzen schon Sekretäre. Goethes Briefe an Charlotte waren in der Art eines Fidibus gerollt und eingefaltet. Er verfällt der „Billet-Krankheit”, schreibt mitunter zweimal am Tag. Von Anfang an herrschte ein vertrauter Ton. „Liebe” kommt mehrfach und auch unterstrichen vor. Ende Januar 1776 schreibt er ganz offen von seiner Liebe, von „Engel” und „Gold”. Er wechselt zum vertraulichen Du. Im März scheint sie ihm dies verwiesen zu haben, was ihn verstimmt.
Kleinere Verstimmungen treten immer wieder auf. Goethe stellt zeitweise die Korrespondenz ein. Immerhin hält das Werben bis März 1776 an. In ihrem Werk „Rino”, dessen Figurendarstellerin autobiografische Züge aufweist, erkannte Goethe sich in der Titelfigur wieder. Die Spitze war gegen ihn gerichtet.
Ab dem zweiten Halbjahr scheint die Stein jedoch ihre Zurückhaltung aufgegeben zu haben. Sie besuchten den Hermannstein bei Stützerbach. Bei dieser Gelegenheit fertigte er zwei Zeichnungen von der Höhle am Hermannstein und vom Stützerbacher Grund.
1777 nehmen die versöhnlichen Briefe zu, aber der Ton wird ruhiger. Häufiger werden auch die Kinder erwähnt. Diese Phase endet 1777 mit der Reise in den Harz. Über das Ziel seiner Reise ließ Goethe die Stein im Unklaren. Goethe suchte in den wilden Bergen, so auch bei seiner Beschäftigung mit dem Kupferschieferbergbau in Ilmenau, von seiner stillen Traurigkeit Abstand zu gewinnen. Sämtliche Briefe an Charlotte aus seiner voritalienischen Zeit gehören zu den sprachlich schönsten. Hier tauchen auch Bibelworte und antike Allegorien auf, verschmelzen miteinander. Nach der Rückkehr von der Harzreise im Dezember 1779 festigt sich die Beziehung zu Charlotte, doch die grundlegende Ambivalenz bleibt.
Im selben Jahr nimmt auch die Intensität des Briefwechsels wieder zu, trotz seiner Amtsgeschäfte. Während der Reise mit dem Herzog in die Schweiz (1780) schreibt er an sie seitenlange Briefe. Sie sind erstmals datiert und von Goethes Sekretär Philipp Seidel aufgeschrieben. Zwischen 1775 und 1779 sind 561 Briefe Goethes überliefert, davon 346 an Charlotte. Während der italienischen Reise ist dieser Anteil ebenso groß. Nach Monaten intensiven Schreibens kommt es jedoch zu ebenso langen Pausen. Oft reichen „Zettelgen”. Daneben gibt es „Gedichtbriefe” und lange Reiseberichte. Aber viele Briefe aus der Schweiz gelten nicht allein Charlotte, manche sind auch zur Weitergabe an Dritte bestimmt.
Die Briefe offenbaren den gemeinsamen Grundzug emotionaler Verbundenheit mit der Adressatin, dies ist auch später noch der Fall, wenn er sich verletzt oder zurückgewiesen fühlte.
Seine Beziehung zu der verheirateten Frau verstieß nicht zwangsläufig gegen die Konvention, da die Ehen nicht wie im heutigen Sinne gelebt wurden. Man lebte zuweilen nicht zusammen, sie waren weniger innig als heute. So wiesen Goethes Briefe nicht enden wollende Liebesbeteuerungen auf, da diese Beziehung für ihn lebensnotwendig war. So ist die Liebe eher in einer umfassenden, existenziellen Bedeutung zu sehen. Oft werden auch kleinere Geschenke übersandt. Auch Charlotte schickt Geschenke. Aber auch viele andere Themen spielen eine Rolle. Beispielsweise Zeichnen als Mittel der Weltaneignung. Dazu fordert Goethe seine Charlotte immer wieder auf, immer wieder zeichnet er für die Freundin.
Charlotte ist ihm auch eine wichtige Gesprächspartnerin auf literarischem Gebiet. Sein Publikum in den Weimarer Anfangsjahren bestand ja nur aus einigen Freunden, darunter Charlotte. Es gibt auch Gedichte an sie: „An den Mond”, „Wanderers Nachtlied”. Fließende Übergänge von Brief zu Lyrik stellen sich ein. Dabei vermeidet er aber Exaltiertheit. Nicht mehr Gefühlsüberschwang kennzeichnen diese Briefe, sie sind in einfacher, aber eindringlicher Form gehalten. Es bleibt aber bei ständig sich wiederholenden Liebesbekenntnissen, es gibt metaphorische Bezüge, Anklänge an die Bibel.

An der Saale hellem Strande

Herbstausflug am 19. September 2015
Unser Herbstausflug führte uns zunächst nach Bad Kösen. Die Anlegestelle war rasch gefunden, auch drei Kulmbacher fanden sich dort ein. So stand einer schönen, einstündigen Schiffahrt auf der MS „Rudelsburg“ nichts im Wege. Die Landschaft dort ist sehr schön. Schon auf der Fahrt hatten wir Burg Saaleck und dann auch die Rudelsburg erblickt. Die Ufer sind naturbelassene, sogar Komorane konnten wir unter den hohen Sandsteinfelsen entdecken. Muntere Gespräche begleiteten die Fahrt, leider blieb unser Kapitän stumm. Einige aufschlussreiche Informationen wären recht hilfreich gewesen. Wir stärkten uns bei belegten Brötchen und Kaffee.
Nach der Schifffahrt ging es mit dem Bus hinauf zur Rudelsburg; gar nicht leicht für unseren Busfahrer, dort einen Parkplatz zu finden. Selbst Pkw-Fahrer haben da einige Probleme.
Nun erwartete uns das Düsseldorfer „Theater der Dämmerung“. Es gab „Siddharta“ – eine indische Dichtung nach der bezaubernden Erzählung von Hermann Hesse zum besten. Zwei Spieler gestalteten das Licht-/Schattenspiel mit großen beweglichen Scherenschnittfiguren. Friedrich Raad erzählte den gekürzten Originaltext mit Headset. Der junge Siddharta sucht seine Vollendung, weltüberwindende Wunschlosigkeit. Vom Wissen seines Vaters und der PRiester enttäuscht, verlässt er mit seinem freund Govinda die Heimat, um bei den Samanas im Wald die strengste Askese zu erlernen. Doch der lebensfeindliche Zwang asketischer KAsteiungen erweist sich als schmerzvoll und unfruchtbar. Auf ihrer Wanderung lernen die Beiden schließlich die Lehr Buddhas kennen. Siddharta erkennt, dass Bewusstsein nicht durch Lehren überlieferbar ist, sondern nur durch eigene Erfahrung erworben werden kann. Durchlebte Askese, durchlebte Sinnlichkeit, insbesondere mit der Kurtisane Kamala und dem geschäftstüchtigen Kaufmann Kamaswami, führen bei Siddharta schließlich zu Menschlichkeit und Herzöffnung.
Hochinteressant ist auch die Technik: Die 21 Bühnenbilder von Siddharta, jedes 1,33 Meter breit und 1,12 Meter hoch, sind mit Glasmalfarbe auf einer 28 Meter langen Rolle aufgemalt. Diese Rolle sitzt auf einem Kugellager und wird von Hand gekurbelt.
Nach der Theateraufführung war ein Ritteressen angesagt, das sich jedoch sehr an heutigen Ess- und Trinkgewohnheiten orientierte. Spielmann Max unterhielt uns auf historischen Instrumenten.
Auf der Fahrt gab es noch viel Gelegenheit zu Gesprächen.

Goethe im Spiegel seiner Zeitgenossen

Vortrag von Iris Renner, Erfurt, am 2. September 2015

Es war der erste Vortrag nach der Sommerpause. Iris Renner von der Goethe-Gesellschaft Erfurt hielt einen Vortrag über „Goethe im Spiegel seiner Zeitgenossen“.
Er war deshalb sehr interessant, weil wir Goethe aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln vieler seiner Zeitgenossen, ob berühmt, vertraut oder sogar unbekannt, bewusster wahrnehmen und seine Entwicklung daraus erkennen konnten. Und auch deshalb, weil das Vorgetragene ein Resümee einer ungeheuren Fleißarbeit war. Iris Renner pickte aus vielen Büchern, z. B. Johann Peter Eckermann: „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ oder „Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen“ (3 Bände) ihre Zitate heraus. Außerdem trug sie diese als ehemalige Schauspielerin sprachlich und stimmlich gekonnt vor. Anschließend gab es mehrere Bemerkungen des Lobes.
Hier einige ihrer vorgetragenen Zitate:
Stöber an Hofrat Ring (Straßburg 4. Juli 1772, Goethe 23 Jahre alt)
„Der Herr Goethe hat eine Rolle hier gespielt, die ihn als überwitzigen Halbgelehrten bekannt gemacht. Er muss – wie man fast durchgängig von ihm glaubt – in seinem Obergebäude einen Sparren zu viel oder zu wenig haben.“
Johann Christian Kestner, der später Charlotte Buff heiratete:
„Er besitzt, was man Genie nennt, und eine ganz außerordentliche Einbildungskraft. Er ist in seinen Affekten heftig. Er tut, was ihm gefällt. Aller Zwang ist ihm verhasst.“
Christoph Martin Wieland ( 17. Oktober 1776):
„Goethe ist immer der nämliche – immer wirksam, uns glücklich zu machen. Ein großer, herrlicher, verkannter Mensch; eben darum verkannt, weil wenige fähig sind, sich einen Begriff von einem solchen Menschen zu machen.“
Johann Peter Eckermann:
„Es war eine glückliche Zeit, wo ich ihn nach und nach kennenlernte, und wo eine Welt von neuen Ansichten mir durch ihn aufging. Das waren keine fernliegenden Ideen, keine fremden Namen, nichts Gelehrtes und Abstraktes, das man nicht hätte fassen können… nein, überall Heimat, befreundete Natur, Klarheit und Leichtigkeit, überall das rechte Maß, überall Wahrheit.“
Eduard Genast (Schauspieler über Goethe als Theaterleiter):
„Bestimmte Rollenfächer durften die Schauspieler unter Goethes Leitung nicht beanspruchen. Selbst die ersten durften sich nicht weigern, eine Anmelderolle zu übernehmen. Er sagte einmal: Keine einzelne Stimme darf sich geltend machen, Harmonie muss das Ganze beherrschen, wenn man das Höchste erreichen will.“
Friedrich Schiller über Goethe:
„Er hat eine hohe Wahrheit und Biederkeit in seiner Natur und den höchsten Ernst für das wahre und Gute; darum haben sich Schwätzer und Heuchler und Sophisten in seiner Nähe immer übel befunden. Diese hassen ihn, weil sie ihn fürchten.“
Karl-Ludwig Knebel (zu Goethes 76. Geburtstag am 28. 8. 1825):
„…Die Nachwelt spricht den Namen heller aus und heftet an der Zeiten Fels das Wort….“
Goethe über sein Schaffen:
„….Ich verdanke meine Werke keineswegs meiner eigenen Weisheit allein, sondern Tausenden von Dingen und Personen außer mir, die mir dazu die Gelegenheit boten. Es kamen Narren und Weise, helle Köpfe und bornierte, Kindheit und Jugend wie das reife Alter, und alle sagten mir, wie es ihnen zu Sinnen sei, wie sie dachten und fühlten, lebten und wirkten – und ich hatte weiter nichts zu tun, als zuzugreifen und das zu ernten, was andere für mich gesäet hatten.“
Helga Zauft

Ausflug nach Molsdorf

Am 22. August war es soweit – zu unserem Sommerfest startete der Bus mit den Goethefreundinnen und -freunden aus Erfurt und Gera mit dem Endziel: Schloß Molsdorf. Kulmbacher Literaturfreunde und eine befreundete Familie aus Zeulenroda reisten mit eigenen Pkw an. Unser erstes Ziel war die Kirche St. Elisabeth in Stedten – erbaut 1745. Wie uns der Herr Pfarrer erzählte, war sie bis 1945 ein evangelisches Gotteshaus – mit besonderen Sitzplätzen für die Adelsfamilie Keller. 1944 hatte der Krieg die schöne Barock-Kirche  arg zerstört. Nach dem Wiederaufbau wurde sie ab 1976 eine katholische Kirche für die hier lebenden 224 Gemeindemitglieder. Auch berichtete der Pfarrer über einen Besuch Goethes und Wielands, die hier im Schloß 1775 Gäste des Schloßherrn waren – heute existiert das Schloß nicht mehr.
Hans-Peter Brachmanski, Mitglied der Erfurter Goethe-Gesellschaft und des Freundeskreises Schloß Stedten, gab uns interessante Informationen zum historischen Friedhof, zu den Epitaphien und Gräbern.
Weiterfahrt nach Wandersleben – wir wollten die „Menantes“-Literaturgedenkstätte besuchen, erleben. Christian Friedrich Hunold – später als „Menantes“ bekannt, wurde am 29. September 1680 hier in Wandersleben geboren. Er studierte in Jena Jura und lebte  später in Berlin. Als „Barock- Dichter und Aufklärer“ seiner Zeit verfaßte er auch „Hocherotische Werke“, die ihm zu jener Zeit viel Aufmerksamkeiten einbrachten. In Arnstadt lebte und wirkte zu dieser Zeit Johann Sebastian Bach- der „Orgel-König“ genannt. Beide lernten sich kennen und sollen ein wildes, unmoralisches Leben geführt haben. In seiner Hamburger Zeit schrieb Menantes religiöse Bücher, nachdem er seine alte Lebensweise aufgegeben hatte und wurde in Halle an der Universität lehrend wirksam. Hier heiratete er auch, zeugte vier Kinder mit seiner Frau und kehrte 1706  nach Wandersleben zurück. Am 6.August 1721 starb Menantes hier im Alter von nur 41 Jahren. Diesen kurzen Lebenslauf des „Menantes“ vermittelte uns ein Vortrag, der uns ALLEN gut gefiel, weil er viel Neues vermittelte. Die Führungen samt Erläuterungen übernahmen Bernd Kramer und Cornelia Hobohm, bei denen wir uns herzlich bedanken.
Wir fuhren weiter Richtung „Schloß Molsdorf“. Nach dem Mittagessen erlebten wir eine Schloßbesichtigung und erfuhren vieles aus dem Leben von Graf Gotter. Er wurde 1692 geboren, ging nach der Schule und dem Studium an den Wiener Hof, wurde Diplomat und soll stets in Geldnot gelebt haben. Bedingt durch seine Tätigkeit war er sehr oft auf Reisen. Man erzählte uns, das er sehr „begehrt“ bei den Damen war und dies auch genoss (lt. Kirchenbucheintrag soll er 28 Kinder gezeugt haben ). 1723 wurde er geadelt: jetzt Baron Gotter! 1740 wurde er nach nach Berlin berufen als Reichsgraf. 1762 starb er in Berlin und wurde auch dort beigesetzt.
Nach der Schloßführung erwartete uns ein Konzert der ganz besonderen Art – Thema:“Herzlich tut mich erfreuen die schöne Sommerzeit  – Musik der Renaissance an Burgen und Schlössern“ mit der „Erfurter Camerata – vorgetragen in  Kostümen der Renaissance und mit den Musikinstrumenten dieser Zeit! Wir waren sehr begeistert und dankten dem Geschäftsführer Dieter Schumann und seinen Musikern mit langem Beifall für diese Überraschung. Frau Otti Planerer von den Geraer Freunden erinnerte mit zwei vorgetragenen Briefen, die Goethe einst verfaßt hatte, an unser ALLER Hobby – Verehrung des großen deutschen Dichters.
Danach starteten wir zur Heimreise und dankten den Initiatoren und Organisatoren für diesen erlebnisreichen Tag!
Renate Dalgas

Sommerfest in Stedten

Unser Sommerfest 2015

Zu unserem Sommerfest schrieb Hans-Peter Brachmanski, Organisator der Besichtigung Stedten, folgendes:

Am 22. August 2015 planten zwei Goethe-Gesellschaften, darunter Mitglieder aus Franken, Zeulenroda, Gera und Erfurt, eine Reise in das zentral gelegene Stedten, um hier den Geburtstag des Dichters zu begehen. Dazu fertigte Helmut König eine Medaille. Terminliche Veränderungen brachten es zwar mit sich, dass der Besuch eine Woche vorverlegt werden musste, was dem Ganzen aber keinen Abbruch tat.
Im Mittelpunkt des Interesses stand natürlich der historische Ort mit seinen wenigen noch erhaltenen historischen Schlossrelikten. Darunter ganz besonders sehenswert das barocke Schlossportal mit dem angrenzenden kleinen Park. Durch dieses fuhren vermutlich Goethe und Wieland hinauf zum Schlosseingang, wo sie von der Gastgeberfamilie erwartet wurden. Das war im kalten Winter von 1775 zu 1776. In dem 1737 erbauten schlichten Landsitz verbrachte der gerade 26-jährige J. W. Goethe im Kreis der Familie v. Keller seinen ersten Jahreswechsel in Thüringen. Kein Geringerer als Christoph Martin Wieland, den eine enge Freundschaft mit Julie von Keller verband, hatte das Stedtener Treffen in die Wege geleitet. Dem jugendlichen Dichter des Bestsellers „Die Leiden des jungen Werther“ eilte ein ganz besonderer Ruf voraus. Goethes Liebesroman wurde buchstäblich in allen Landen verschlungen. Die Jugend kleidete sich wie Werther, man spielte das Stück und diskutierte es, dagegen sah sich manche Zensur gezwungen, das Buch sogar auf den Index zu stellen. Diesen über Nacht deutschlandweit berühmt gewordenen Dichter in dem doch abseits gelegenen Dorf Stedten ampfangen zu dürfen, stellte eine besondere Ehre für die Schlosseigentümer dar. Man erhoffte sich viel vom temperamentvollen Jungstar, dem eine ganz besondere Gabe der Erzählkunst zu eigen war. Der Gast entsprach den Erwartungen seiner Gastgeber. Gekonnt rezitierte der „Zauberer mit den schwarzen Augen“ aus seinen Werken und unterhielt damit die Gesellschaft über mehrere Tage hinweg. Es war dies jenes Theaterspiel, das ihm von Kindheit an vertraut war und das er so liebte. Dass Thüringen für über 50 Jahre zur zweiten Heimat Goethes werden würde, ahnte damals sicherlich niemand. Wieland berichtete später sehr ausführlich darüber.
Leider ist von dem Schloss nichts mehr vorhanden. Vor 70 Jahren wurde es im Zuge der Bodenreform gesprngt. Darauf nimmt die andere Medaillenseite Bezug. Die Medaille hat 35 mm Durchmesser und ist in Silber sowie Zinn im Münzfachgeschäft Krämerbrücke, Erfurt, erhältlich.

Ausflug nach Leipzig

Mein Leipzig lob‘ ich mir

„Mein Leipzig lob‘ ich mir! Es ist ein Klein-Paris und bildet seine Leute!“ Das meinte der Student Goethe. Aber weder der spätere Herr Geheimrat noch ich reichlich 200 Jahre später während meines Leipziger Studiums ahnten, dass die Messe-, Bach- und Goethe-Stadt sich heute durchaus auch mit Venedig messen kann. Bei unserem Ausflug am 13. Juni 2015 mit Erfurter und Geraer Goethefeunden nach Leipzig konnten wir jedoch sowohl optisch als auch körperlich wahrnehmen, dass Wasserstraßen für Leizig an Bedeutung gewinnen. Bei einer Bootstour über die Pleiße und verschiedene Kanäle lernten wir Leipzig vom Wasser aus kennen. Wobei sich selbst Goethes wenig bekannter Zusatz in dem bekannten Spruch als wahr erwies: Leipzig bildet seine Leute und Gäste. Denn unser „Kapitän“ fütterte uns nicht nur mit Kaffee und anderen Getränken, sondern auch mit viel Wissenswertem über die Leipziger Wasserwelt. Sie erstreckt sich mit dem Stadthafen bis ins Zemtrum der Metropole und soll noch so ausgebaut werden, dass sich bequem per Motor- oder Paddelboot das Neu-Seenland erreichen lässt.

Wasser von oben bekamen wir zum Glück nur wenig ab, dann ging’s schon wieder per Bus in die Innenstadt bis zum Gewandhaus und von da per pedes zum berühmten Auerbachs Keller. Frisch gestärkt beim Mittagsmahl konnten wir uns hernach ohne Magenknurren der Kultur hingeben. Eine nette und sachkundige Mitarbeiterin erzählte uns Wissenswertes über die Entstehung des historischen Lokals und führte uns durch jene Räume, in denen nur zu besonderen Anlässen oder für hochrangige Gäste aufgetafelt wird. So lernten wir das Alt-Leipzig-Zimmer mit seinen Gemälden kennen, aber natürlich interessierten wir uns als Goethe-Freunde am meisten für den gotisch gewölbten „Goethe-Keller“ und den in Goethes „Faust“ erwähnten „Fass-Keller“. Letzteren ziert ein
aus einem einzigen Baumstamm geschnitzter beeindruckender Hexenritt und ein historisches Weinfass, auf dem der Sage nach der Magier Johann Faust aus dem Keller geritten sein soll.

Wir ritten nicht auf einem Fass heimwärts, sondern nutzten unseren Bus, zumal alsbald nicht Wein in unsre Münder, sondern Wasser aus himmlischen Gefilden auf unsere Häupter herab plätscherte. Dennoch gelang uns der geplante Abstecher zur Gustav-Adolf-Gedenkstätte Lützen südwestlich von Leipzig. Der Schwedenkönig war hier in einer Schlacht im November 1632 getötet worden. Über 200 Jahre erinnerte nur ein großer Findling an seinen Todesort. Dann überkrönte man den Stein mit einem von Schinkel entworfenen Baldachin, 1906/1907 wurde die Gustav-Adolf-Gedächtniskapelle gebaut, später die Gedenkstätte mit zwei Holzhäusern komplettiert. In einem befindet sich ein kleines Museum, das wir ebenfalls besichtitgen. Warum? Weil wir als Goethe-Freunde immer auch ein wenig über den Tellerrand schauen wollen und uns wie der Minister und Dichter für viele Dinge, Menschen und Ereignisse interessieren.

Angelika Kemter

Herder, Licht, Liebe, Leben

Vortrag von Dr. Egon Freitag, Weimar, am 1. Juni

Johann Gottfried Herder (1744 – 1803) gehört zu den großen Vier der Weimarer Klassik. Er stammt aus Mohrungen östlich der Weichsel. Sein erstes Gedicht war gewissermaßen „Schmuggelpoesie”. Er fand nämlich eine Anstellung als Gehilfe des Mohrunger Diakons Sebastian Friedrich Trescho. Herder benutzte dessen umfangreiche Bibliothek, um sich an den Werken der großen antiken und zeitgenössischen Schriftsteller zu bilden. Dort entdeckte er das Hochzeitslied „Anke van Tharow” des samländischen Dichters Simon Dach. Herder übertrug das Lied ins Hochdeutsche und nahm es in seine Volksliedersammlung auf. Als „Ännchen von Tharau” wurde es berühmt und auch mehrfach vertont.
Trescho sandte Manuskripte an den Königsberger Verleger Johann Jacob Kanter. Der 17-jährige Herder übernahm das Abschreiben, Versiegeln und Wegschicken und schmuggelte ein selbstverfasstes Gedicht in die Sendung. Ein paar Posttage später schrieb der Verleger an Trescho, er habe in dem Paket ein Gedicht gefunden, mit dem Titel „Gesang an den Cyrus”, aber ohne Angabe des Verfassers. Da dieses Gedicht voll „Geist und Salbung” sei, habe er es sogleich drucken lassen. Es fand große Zustimmung. Gern hätte er jedoch den Namen des Verfasser gewusst. Daraufhin stellte Trescho seinen Gehilfen zur Rede …
1762 kam Herder nach Königsberg, unternahm von Riga, wo er als Prediger arbeitete, aus eine weite Seereise. Er kam auf seinen Reisen nach Dänemark, Frankreich, Brüssel, Paris, aber auch in den Elsaß und nach Böhmen. In Darmstadt lernte er Caroline Flachsmann kennen, seine spätere Frau. Gemeinsam lasen sie Gedichte, so die Oden Klopstocks, pflegten „muntere Schäkerei und die Freuden der Gesellschaft”. Da es sich um eine Bildungsreise handelte – Herder begleitete den 17-jährigen Erbprinzen Peter Friedrich Wilhelm von Holstein-Gottorp -, musste sich Herder von Caroline verabschieden. Der zweite Teil dieser Bildungsreise führte Herder nach Straßburg. Er wohnte zunächst im Gasthaus „Zum Geist”, unverhofft war auch Goethe dort einquartiert. Anfang Oktober 1770 kam es zur ersten Begegnung. Goethe fühlte sich von der Persönlichkeit Herders angezogen, bewunderte seine umfangreichen Kenntnisse und tiefen Einsichten. Dabei war ihre Beziehung zuweilen durchaus gespannt; Herder konnte den um einige Jahre Jüngeren schelten, tadeln und auch höhnen.
Herder vollendete in Straßburg den „Ursprung der Sprache”. Die Sprache sei nicht göttlichen Ursprungs, sondern vom Menschen selbst erschaffen. Es handelt sich um die erste historische Sprachtheorie. Herder sammelte für Goethe Lieder, insgesamt 172. Er pries die wunderbare Kraft des Volksliedes, „die Entzückung, die Triebfeder, den ewigen Erb- und Lustgesang des Volks” und forderte zum weiteren Sammeln auf. Im Gegensatz zu Achim von Arnims und Clemens Brentanos „Des Knaben Wunderhorn”, das ausschließlich deutsche Volkslieder enthielt, sammelte Herder aus aller Welt. So befanden sich in seinen „Stimmen der Völker in Liedern” sogar keltische Lieder und ein Opferlied an eine peruanische Regengöttin.
Goethe nahm auch an der Hochzeitsfeier von Herder und Caroline teil. Herder war mit 600 Talern Schulden in die Ehe getreten. Dennoch begann jetzt eine glückliche Zeit. Seine Lina sei „blauäugig wie das Himmelszelt, ein schwebender Engel auf dieser Welt.”
Er wurde Oberprediger in Bückeburg: „Begraben unter Büchern und gelehrtem Staub”.
Herder hatte acht Kinder, sieben Jungen und ein Mädchen.
In Bückeburg entfaltete Herder eine erstaunliche Produktivität, auch um seine Schulden zu begleichen. Er schrieb seine „Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit” und erklärte: „Es ist Feuer darin und glühende Kohlen auf die Schädel unseres Jahrhunderts.” Zugleich fasste er den Plan, seine Volksliedersammlung herauszugeben. Sie erschien 1778 und 1779 in zwei Teilen.
Am 1. Oktober 1776 traf Herder mit seiner Frau und zwei Söhnen in Weimar ein. Goethe hatte dies beim Herzog vermittelt, denn die Stelle des Superintendenten, mit der weitere kirchliche Ämter verbunden waren, war vakant. Wieland begrüßte Herder hocherfreut: „Herder predigt, wie noch nie jemand gepredigt hat, so wahr, so simpel, so fasslich, und doch alles so tief gedacht, so rein gefühlt, so schwer an Inhalt!” Es erschienen die „Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit”. Doch die Plackerei seiner Ämter störte ihn bei seinen Plänen.
Für seine universelle, fast enzyklopädische Bildung besaß Herder eine umfangreiche Bibliothek. Sie umfasste etwa 8000 Bände (Goethe ca. 7000, Wieland ca. 6000, Schiller ca. 800).
Auch Schiller lobte Herders Predigten, wusste aber auch von manchem Ehestreit zu berichten. War dies der Fall, kam es vor, dass sie verschiedene Etagen bewohnten, ein Bote überbrachte dann Briefe. Immer lenkte Caroline ein: „Diesem Gott kann niemand zürnen.” Sie liest aus einem Buch, und Herder fällt ihr um den Hals.
Goethe und Herder halten allmählich Freundschaft, so übernahm Herder Korrekturen zu „Iphigenie auf Tauris”. Herder verhielt sich auch loyal gegenüber Christiane Vulpius. Ja, er taufte sogar taktvoll im Goethehaus den unehelichen Sohn August und hat ihn auch 1802 konfirmiert.
Herders Hauptwerke: „Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit”, „Stimmen der Völker in Liedern”, „Briefe zur Beförderung der Humanität”.
Er verfasste aber auch erotische Texte, zum Beispiel „Lieder der Liebe”.
Er reiste auch nach Italien, diese Reise dauerte elf Monate. 1802 erhielt er aus persönlichen Gründen (Grunderwerbswunsch eines nicht-adligen Verwandten) den bayrischen Adelstitel, der jedoch vom Weimarer Herzog nicht anerkannt wurde.
Herder lehnte Schillers „Räuber” ab. Anlass war, dass bei den Aufführungen die Studenten stets das Räuberlied sangen, was Herder als anstößig empfand.
Herders Wahlspruch „Licht, Liebe, Leben” stammt aus dem Johannes-Evangelium.

Auf den Spuren Goethes ins Fichtelgebirge

Tagesausflug am 9. Mai 2015

Nach unserer Ankunft im Fichtelgebirge stand zunächst der Ochsenkopf auf dem Programm. Mit der Seilbahn fuhren wir hoch zum Gipfel. Goethe hatte in Begleitung diesen Gipfel besucht, dort meteorologische Beobachtungen durchgeführt. Von besonderem Interesse ist jedoch seine Entdeckung einer merkwürdigen Bergwiese, die er dann in Begleitung seines Freundes Knebel und eines Botanikers besichtigte. Die kleine Gruppe stieg dazu durch mehrere kurios durcheinander liegende Granitmassen hinab. Dort entdeckten sie nicht nur die Moosbeere, sondern auch den fleischfressenden Sonnentau. Einige tote Insekten befanden sich zwischen den Fanghärchen. Goethes Entdeckung war zweifelsfrei richtig, doch wurde sie seinerzeit von Fachbotanikern vehement bestritten. Kein Geringerer als Charles Darwin bestätigte wenige Jahrzehnte Goethes Entdeckung.
Wir stärkten uns in der Baude und fuhren anschließend mit der Seilbahn wieder ins Tal. Nun stand das berühmte Felsenlabyrinth der Luisenburg bei Wunsiedel auf dem Programm. Da nicht alle gut zu Fuß waren, teilten wir uns konditionsgemäß in zwei Gruppen. Unsere Führerin zeigte uns die imposanten mächtigen Felsgebilde, darunter auch die so genannten „Wollsäcke“, „Napoleons Hut“ und „Helgoland“. Letztere Bezeichnungen gehen auf Napoleons Kontinentalsperre zurück; über die Insel Helgoland gelangte Schmuggelware, insbesondere Rohrzucker, auch nach Wunsiedel, wo sich Zuckerraffinerien befanden.
Entgegen der Auffassungen der Plutonisten, die die Entstehung der Gesteine vor allem auf heftige Ereignisse, wie Erdbeben und Vulkanausbrüche zurückführten, gelangte Goethe zu einer, auch in der heutigen Geologie noch gültigen Erklärung. Die merkwürdigen Gebilde sind über Jahrtausende hinweg durch Erosion, Frostaufbrüche, Fließerden u. ä. entstanden.
Das Seehaus zu finden, gestaltete sich ein wenig schwierig, dennoch war der Zeitverlust von einer halben Stunde noch zu akzeptieren. Hier oben folgte Goethe dem Paschenbach, schlussfolgerte den richtigen Standort des Weißen Mains. Am Seehaus beobachtete er voller Respekt die Arbeit der Bergleute, die winzige Zinnkügelchen aus dem lehmichten Wasser gewannen. Viel Erfahrung und ein scharfes Auge waren hierfür vonnöten.
Wir stärkten uns im Seehaus und fuhren mit vielfältigen Eindrücken wieder nach Hause.
Auf dem Ochsenkopf kam die Frage auf, woher dieser merkwürdige Name denn stamme.
Auf Nachfrage teilte Adrian Roßner vom Fichtelgebirgsverein folgendes mit:

Sehr geehrter Herr Kemter,

Von unserer Geschäftsstelle kam heute eine Weiterleitung Ihrer Anfrage in mein
Postfach, sodass ich versuchen will, den Namen dieser zweithöchsten Erhebung
unseres Fichtelgebirges – wenigstens in Ansätzen – zu erklären. Fakt nämlich
ist, dass sich die Geister über die Herkunft dieser recht seltsam anmutenden
Bezeichnung scheiden und sie ohnehin erst im Zuge des späten 17. Jahrhunderts
fassbar wird. Frühere Beschreibungen bspw. aus der Feder Caspar Bruschius
schweigen sich komplett über den Namen aus und auch beim „Teutschen Paradeiß“
des Magisters Will heißt es lediglich: „Die höchste Spitze des Berges heißet von
Alters her der Ochsen-Kopf, ohne dass man weiß, warumb (sic).“ Wie es stets zu
beobachten ist, wenn Menschen verzweifelt auf der Suche nach dem Sinn und Unsinn
diverser althergebrachter Begebenheiten sind, ranken sich denn schließlich um
den Ochsenkopf unzählige Mythen und Legenden. Angefangen von einem heidnischen
Tierkult, der einst in Anbetung des Sonnengottes dort oben vollzogen worden sein
soll, über folgende Erzählung ist dabei alles vertreten:

Einst wandelte der Herr Jesus Christus auf der Erde, was eine große Freude für
sie war. So geschah es denn auch, dass sie sich, als er wieder gen Himmel fahren
wollte, an seine Füße hing und ihn nicht gehen lassen wollte. Da beschwor der
Herr Wolken herauf, die seine Beine befreiten und aufgrund deren weißer Farbe
die entstandene Erhebung bis heute „Schneeberg“ heißt. Der Teufel war dadurch
derart in Rage geraten, dass er sich als Erlöser ausgab und ebenfalls auf die
Erde stieg. Diese wiederum klammerte sich erneut an die Beine des gen Himmel
Auffahrenden, erkannte jedoch schnell, dass es sich dabei nicht um den Sohn
Gottes handelte, sondern um den gefallenen Engel. Da erschrak sie, ließ los und
rief: „Was bin ich doch für ein Ochsenkopf“.

Um die ganze Geschichte ein wenig abzukürzen, stimmt keine der eben angebotenen
Erklärungen mit den Tatsachen überein – vielmehr handelt es sich beim Namen um
eine Ableitung von einer einem stilisierten Ochsenkopf gleichenden
Form/Ritzzeichnung am Gipfel des Berges. Auch über deren Bedeutung stritten sich
die Gelehrten, ehe man darauf kam, dass es sich dabei am ehesten um ein Zeichen
der Venediger handeln könnte. Über diese „Schatzsucher des Fichtelgebirges“ habe
ich vor einiger Zeit einen Beitrag in unserem Siebenstern veröffentlicht, den
ich Ihnen hier hinterlege:
https://app.box.com/s/al1qw016t5efuob4nvuj

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit ein wenig weiterhelfen und verbleibe

Mit lieben Grüßen,

Adrian Roßner

Liszt und Goethe

Vortrag von Barbara Kiem, Freiburg/Breisgau, am 5. Mai 2015

Liszt war ein glühender Verehrer Goethes, wobei er ihn ausschließlich als Dichter wahrgenommen hat. Die vielen Aufsätze und umfangreichen natwurwissenschftlichen Studien Goethes hat Liszt nicht zur Kenntnis genommen.
Liszt bearbeitete eine große Zahl von Schubert-Liedern und damit auch Goethe-Gedichte, die Schubert vertont hatte, so „Gretchen am Spinnrad”. Die Schubert-Lieder und somit auch Goethes Gedichte hat Liszt durch seine Konzertreisen überhaupt erst überregional bekannt gemacht. Diese mitreißenden Paraphrasen zeugen von einem immensen Können der Übertragungstechnik und der Lust, fantasievoll und virtuos mit unkonventionellen harmonischen Wendungen zu experimentieren. Es zeigt sich schon die Tendenz, klassisch-dialektische Prinzipien zu eliminieren und die Musik diurch die Verbindung mit der Poesie zu erneuern. So bekannte sich Liszt zu einer wichtigen Intention der Romantiker: die Musikalisierung der Wortsprache, zur „gesungenen Vernunft”. Ethisches Streben, katholisch religiöse Inbrunst wurden zur eigentlichen Schubkraft seiner kompositorischen Aktivitäten.
Nach den ausgiebigen Wanderjahren, seinen „Anees de pelerinage”, so auch der Titel von drei Bänden mit lyrischen Klavierstücken, begann Lisz 1848 seine Tätigkeit als Hofkapellmeister in Weimar. Nach Goethes Tod wollte der Weimarer Hof eine Künstlerpersönlichkeit mit internationalem Ruf gewinnen. Der Weltbürger Liszt fühlte sich dem Anspruch gewachsen, das Erbe Goethes und Schillers anzutreten und so Elemente der französischen Romantik mit der Tradition der Weimarer wie auch der Wiener Klassik zusammenzuführen und in seinem Sinne produktiv weiterzuentwickeln. Die groß angelegten Feiern zu Goethes 100. Geburtstag 1849 boten Liszt Gelegenheit, seine hochgesteckten Ambitionen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Programmgestaltung zielte eben auf seine Idee: die Synthese der Künste. Liszt komponierte zu diesem Anlass eigens einen großen Festmarsch, und zusammen mit Goethes „Torquato Tasso” kam zu Goethes Geburtstag am 28. August Liszts symphonische Dichtung „Tasso” zur Uraufführung. Außerdem standen auf dem Programm: Mendelssohns Ouvertüre „Meeresstille“ und „Glückliche Fahrt” nach Goethe, Liszts „Chor der Engel” aus Fausts II, Schumanns „Faust Verklärung”, die 9. Sinfonie von Beethoven mit dem Schlusschor aus Schillers Ode „An die Freude” und mitten in der gewaltigen Programmfolge Schuberts Lied „Gretchen am Spinnrad”, das Liszt in seinen Konzerten in ganz Europa durch seine Bearbeitungen populär gemacht hatte und das allgemein als kongeniale Vertonung eines Goethe-Gedichtes angesehen wurde.
Im Gegensatz zu Wagners Musikdrama lässt Liszt keinen äußeren Handlungsverlauf zu; ein Bühnengeschehen gehört nicht zu seiner Konzeption der „inneren Handlung”. Die poetische Chiffre garantiert die tiefere Sinnhaftigkeit des Ganzen. Die heikle Aufgabe des Komponisten ist es, sich an ein solches Programm zu binden; adäquate musikalische Gestalten zu erfinden, in die die literarischen Ideen umgeschmolzen sind, um so die Beziehungsdichte von musikalischer und poetischer Intention zu erreichen. Die Darstellungsmittel müssen äußerst präzise sein und rein im Musikalischen verbleiben.
Die Gestalt dieser charakteristischen Klanggesten ist bestimmt durch die Art, wie der Komponist sein Material behandelt. Im Prozess der musikalischen Verarbeitung wird die poetische Idee, das jeweilige ästhetische Sujet umgeprägt zum Moment der Komposition selber. Das ist nicht zu erreichen durch eine mechanistische Formeltechnik, sondern nur im subtilen Abspüren der dichterischen Absicht. Ein poetisch-philosophischer Faden soll die motivische Substanz des musikalischen Gewebes erzeugen. Die Strukturen dieses Beziehungsgeflechts – die integrierende Bewegung – bilden die Orchesterlinien, sie werden zu Bändern des Zusammenhangs.
So wollte er auch Goethes Dramen behandeln. In Bezug auf den Tasso bewunderte Liszt, wie Goethe es vermochte, die moralischen Positionen so präzise auszubalancieren; die feudalen Strukturen und die Mentalität des Künstlers, der sich nicht beugen, sich nicht unterordnen kann, der auch in seiner Liebesleidenschaft alle Konventionen durchbricht und daher von der Gesellschaft krass zurückgewiesen wird.
„Klage und Triumph” – bereits im Titel seines Werkes hat Liszt durch Hinzufügung dieser Worte ausgesprochen, was er im „Tasso” zu musikalischer Darstellung bringen wollte. Die zweite seiner symphonischen Dichtung soll – um seine eigenen Worte zu gebrauchen -, „die große Antithesese des im Leben Verkannten, im Tode aber von strahlender Glorie umgebende Genius schildern …“ – „Lamento e Trionfo“, so heißen die beiden großen Kontraste im Geschick des Poeten, von denen mit Recht gesagt wurde, dass, ob auch oft mit Fluch ihr Leben belastet werde, „nimmer der Segen ausbleibe auf ihrem Grabe”, so Liszt.
Erst nach dem Abbruch der Virtuosenzeit und der Üebrsiedlung nach Weimar begann Liszt – inzwischen 36-jährig – mit seiner sinfonischen Arbeit. Erst jetzt entwickelten sich die konkreten Vorstellungen, die zur Ausbildung seiner Idee der Sinfonischen Dichtung führten.
Der Gattungsbegriff der Sinfonie hatte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts seine Eindeutigkeit verloren. zunehmend erhalten Bezeichnungen wie Tondichtung, Fantasie, Seelen- oder Tongemälde Bedeutung. Die Geschichte der Sinfonischen Dichtung wird allgemein mit der Entwicklung der Ouvertüre und deren Emanzipation von der Oper in Zusammenhang gebracht. Die Werke, die Liszt als Sinfonische Dichtungen bezeichnete, speisen sich aus unterschiedlichen Quellen und Anlässen. „Tasso” und „Hamlet” wurden zuerst als Ouvertüren zu den gleichlautenden Dramen Goethes und Shakespeares komponiert. Alle Sujets der Sinfonischen Dichtungen rühren an die großen Themen der Religion, Philosophie oder der Literatur, was eben von Liszts Neigung zeugt, das Erleben über den Augenblick hinaus ins Allgemeine zu transzendieren. Nach Liszt sollen die Werke der Literatur in der neuen poetischen Musik aufgehen; Musik ist die eigentliche Sprache, die höchste Poesie. Liszt will die Grenzen der musikalischen Kunst erweitern und sieht es als seinen Auftrag an, einem anspruchsvollen Publikum die Weltliteratur zu spiegeln.
Dabei werden Liszts Goethe-Lieder häufig abweisend beurteilt, so die pathetische Ausdeutung der Mignon-Gestalt. Beliebt dagegen ist „Wanderers Nachtlied – Über allen Gipfeln ist Ruh”. Oder auch „Es war ein König in Thule”.
Die Ballade klingt wie ein schlichtes Lied, das aus dem imaginären Norden Thules tönt. Liszt macht aus dem volksliedhaften Gesang eine kontrastreiche aufgewühlte Szene.
„Freudvoll und leidvoll” aus Goethes „Egmont” lag schon in einer Vertonung Beethovens vor.
Freudvoll
und leidvoll
Gedankenvoll sein
Hangen und bangen
in schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
zum Tode betrübt –
Glücklich allein
ist die Seele, die liebt.
Liszt zeichnet ein mit Dur und Moll spielendes Porträt. Bei den Worten „freudvoll” und „leidvoll” lässt er die Dur- und Moll-Variante des gleichen Klanges unvermittelt nacheinander folgen. Im Alter drängt es Liszt noch mächtiger in die Sphäre des Sakralen und zu den zeitübergreifenden mythischen Symbolen der Kunst.
Wie ein verinnerlichtes Gebet in religiös-meditativer Stimmung wirkt auch die Goethe-Vertonung „Der du von dem Himmel bist”:
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest;
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!

Ausflug nach Böhmen

Böhmenausflug vom 9. bis 12. April 2015

Unser Ausflug auf den Spuren Böhmens führte uns zunächst nach Cheb (Eger). Dort besichtigten wir den historischen Marktplatz. Im Wendlhaus war Goethe seinerzeit zu Gast bei Polizeirat Joseph Grüner. Er war nicht nur ein tüchtiger Polizist, der Räuberbanden im Kaiserwald das Handwerk legte, sondern auch ein eifriger Sammler von Naturalien. So fand er in Goethe einen sachkundigen und lobenden Kenner. Beide führten intensive Gespräche. Goethe besuchte auch den letzteren Egerer Scharfrichter Huß, besichtigte insbesondere dessen Münzsammlung. Andere „Utensilien“ von Huß konnten wir später besichtigen, sie jagten uns einen Schauer über den Rücken: Folterwerkzeuge wie Daumenschrauben und das Richtschwert.
Nun folgte gleich der Höhepunkt unserer Reise: Marianske Lazne (Marienbad). Anlaufpunkt war das Goethe-Museum, wo wir zu einer Führung erwartet wurden. Hier besichtigten wir die drei Räume, die Goethe 1823 zur Verfügung standen: Arbeits- und Schlafraum sowie das seinem Sekretär John vorbehaltene Zimmer. Goethe beschäftigte sich intensiv mit den um Marienbad vorkommenden Mineralien; zahlreiche Badegäste begleiteten ihn auf seinen Touren. Im Hause wurden die Gesteinsproben verpackt, nach Jena, zu Abt Reitenberger ins Prämonstratenserkloster Tepl oder zu Goethes Altersfreund Sternberg nach Prag geschickt, der dort gerade das Nationalmuseum einrichtete. In Aufsätzen befasste sich Goethe mit der Mineralogie des Marienbader Landes. Auch einfache Leute, so ein Bergmann aus Dreihacken, lieferte interessante Stücke. Dieser biedere Mann, der schöne Augiten brachte, erfreute sich höchsten Lobes des Weimarer Dichterfürsten.
Am Abend saßen wir im Bohemia-Hotel (Zuckerbäckerstil) noch in geselliger Runde zusammen.
Der nächste Tag begann mit einer wunderschönen Wanderung im Hochmoor von Kladska. Ein Plankensteg führte uns rund um einen See, an romantischen Baumgruppen vorbei, und wir konnten schon ahnen, dass hier alsbald seltene Orchideen, vielerlei Wollgrasarten, Rauschbeeren, Heidel- und Moosbeeren und noch zahlreiche andere Pflanzen verschiedener Arten blühen würden. Diese kleine, etwa zwei Kilometer lange, bequeme Wanderung hat allen gut gefallen.
Das Goethe-Restaurant in Frantiskovy Lazne (Franzensbad) war gar nicht so leicht zu finden. So hatten wir unser Mittagessen nach einiger Suche redlich verdient.
Die weitere Fahrt führte zu Schloss Kynzvart. Es gibt zwar keine direkte Verbindung zu Goethe, aber historisch interessant ist dieser Bau dennoch. Schließlich diente es als Sommerschloss keinem Geringerem als Metternich. Wir erhielten einen Eindruck von diesem großen Politiker und Diplomaten des 19. Jahrhunderts und seiner weit verzweigten Familie. Dabei zeigte sich, dass dieser Mann durchaus nicht nur der Stockreaktionär war, als den man ihn kennt, sondern ein ebenso gebildeter, geistreicher Gestalter seiner Zeit. Die Kunstsammlungen sind imposant. Wertvolle Altartafelbilder, eine französische Tapisserie aus der Renaissancezeit, frühbarocke Portraits und auch etliche Kuriosa sind dort zu besichtigen.

Einige von uns hatten ein hübsches Lokal mit böhmischer Küche ausgemacht, so wurde es wieder ein vergnüglicher Abend.

Am Sonnabend fuhren wir nach Teplice (Teplitz). Da lernten wir durch das Busfenster die schöne nordwestböhmische Landschaft kennen, freilich auch einige Kohlekraftwerke, die sicherlich nicht zu einer positiven Ökobilanz beitragen.
Die Führung im Schloss Teplice – ein sehr schöner Ort übrigens – war recht interessant. Wir besichtigten das sehenswerte Interieur, so den Renaissancesaal mit der bemalten Kassettendecke, den Rokokosaal mit seiner üppigen Stuckdekoration sowie viele andere Einrichtungsgegenstände. Lange Zeit befand sich das Schloss im Besitz der Famiie Clary-Aldringen. Sie wurde 1945 enteignet und vertrieben. Seitdem befindet es sich in Staatsbesitz, was dem Bau durch umfangreiche Instandhaltungs- und Restaurierungsarbeiten im Übrigen nicht schlecht bekommt.
Bedeutende Üersönlichkeiten weilten in seinen Mauern, so Prinz Charles Joseph de Ligne, Giacomo Casanova, Frederic Chopin und Franz Liszt. Im Jahres 1812 begegneten sich Goethe und Beethoven im Schlossgarten. Leider erfuhren wir trotz Nachfrage von unserem Museumsführer nicht viel Neues. Dies bedarf also eines informativen „Nachschlags“.
Im „U zlote koule“ (Bei der Goldenen Kugel) ging es am Abend recht ausgelassen zu. Mag sein, dass der auf sein vornehmes Renommee bedachte Chef unser fröhliches Treiben ein wenig kritisch beäugte, so ließen wir uns davon nicht stören. Das Essen war übrigens super, das Restaurant für Marienbad-Besucher sehr zu empfehlen.

Am Sonntagmorgen bestiegen wir den Komorni horka (Kammerbühl), der Goethe zu tiefgreifenden Betrachtungen veranlasste. Wie kam dieser Basaltberg in diese Gegend? Er vermutete zu Rehct, dass er vulkanischen Ursprungs sei, besprach diese Hypothese mit Sternberg und dem schwedischen Naturforscher und Chemiker Berzelius. Würde man einen Stollen in den Berg treiben, so müsste man auf die einst hoch geschossene Basaltsäule stoßen. Den Eingang dieses Stollens konnten wir besichtigen. Ein Dreiecksgiebel mit dem Namen Sternbergs, aber auch ein Goethe-Porträt hoch oben in der Felswand erinnern noch heute an diesen Disput.
Auf der Rückfahrt entdeckten wir, dank hartnäckiger GPS-Nachforschung unseres Busfahrers Uwe, endlich auch den Goethefelsen bei Hazlov (Haslau). Er befindet sich hinter einer Leitplanke und ist so klein, dass wir ihn auf der Herfahrt glatt übersehen hatten, obwohl wir uns regelrecht die Augen ausschauten. So war auch dieser Punkt unserer Fahrt erfüllt.
Als Fazit können wir jedoch auch ziehen: Diese Reise verlief nicht nur recht lehrreich, sie hat auch die beiden Goethe-Ortsvereinigungen in Erfurt und Gera ein ganzes Stück näher gebracht. Die „Chemie“ stimmt!

Bei unserer Besichtigung in Teplitz erfuhren wir leider zu wenig von der Begegnung Goethes und Beethovens. Hanns Stahmer stellte uns während der Tagung der Ortsvereinigungen in Hannover auf unsere Anfrage hin dankenswerterweise einen Auszug aus seinem noch unveröffentlichten Mansukript „Goethe und die Musik“ zur Verfügung.
Goethe und Beethoven lernen sich auch noch persönlich kennen: Es kommt zur denkwürdigen Begegnung der Beiden im Kurort Teplitz am Südrand des Erzgebirges. Die Wege der Beiden kreuzen sich dort fast zufällig. Kurz nach seiner Ankunft im Juli 1812 besucht Goethe den dort bereits weilenden kränklichen Beethoven und erkennt sogleich dessen starke Persönlichkeit. Sie unternehmen einen gemeinsamen Spaziergang und es kommt dann auch noch zu einem Treffen, bei dem Goethe Beethoven als Pianisten erleben kann. Beide äußern sich anschließend distanziert. Beethoven erlebt jetzt den von ihm seit seiner Kindheit so verehrten Dichter als höflich-korrekten „Geheimrat“, und nachdem Goethe die
wahrscheinlich eruptiven Klavierimprovisationen Beethovens miterlebt hat, vermerkt er immerhin nur kurz und trocken in sein Tagebuch: „köstlich gespielt“.
Der französische Schriftsteller und Musikkritiker Romain Rolland resümiert: „Ohne Zweifel hat Goethe, der ein Urteil über die Musik scheute, den Komponisten zu seiner Fingerfertigkeit, seinem perlenden Spiel beglückwünscht und sich von der Musik gerührt und ergriffen gezeigt. Aber ein ästhetisches Urteil darüber, wie Beethoven es von einem Goethe erwartet hatte, kam nicht über seine Lippen, weil Goethe im Grunde – nichts davon verstand – Beethoven brach in Zorn aus…“
Beethoven schreibt an Bettina von Arnim:
„Dem Goethe habe ich meine Meinung gesagt, wie der Beifall auf unsereinen wirkt, und dass man seinesgleichen mit dem Verstand gehört sein will, Rührung passt nur für Frauenzimmer (verzeih mir’s), dem Manne muss die Musik Feuer aus dem Geist schlagen.“
Und dann folgt zuletzt – und wohl auch als deutlichster Hinweis auf die große Verschiedenheit der beiden großen Meister – der berühmte, aber nicht zweifelsfrei belegbare Spaziergang in Teplitz, bei dem Beethoven Goethe demonstriert, wie man dem Hohen Adel ohne Unterwürfigkeit und ohne tiefe Verbeugung begegnet: Während Goethe zur Seite tritt und, sich tief verbeugend, artig den Hut zieht, geht Beethoven mit untergeschlagenen Armen mitten durch die ganze fürstliche Gesellschaft, als diese sich zufällig auf der Landstraße begegnen. Dann wartet Beethoven auf den nachkommenden Goethe und belehrt ihn, er habe denen zu viel Ehre angetan. Dem Freund Zelter beschreibt Goethe seinen neu gewonnenen Eindruck am 2. September 1812 so:
„Beethoven habe ich in Teplitz kennen gelernt. Sein Talent hat mich in Erstaunen gesetzt; allein er ist leider eine ganz ungebändigte Persönlichkeit, die zwar gar nicht unrecht hat, wenn sie die Welt detestabel (verabscheuungswürdig) findet, aber sie dadurch freilich weder für sich noch für andere genussreicher macht.“
Selbst wenn dieser Vorgang nicht in Teplitz, sondern vielleicht am 8. September 1812 in Karlsbad stattgefunden haben sollte und gelegentlich auch einfach als Anekdote abgetan wird: die daraus erkenbar unterschiedliche Einstellung der Beiden wird sicher zutreffend veranschaulicht.