Rückblick

„Goethea“ – Pflanze des Humanismus

Vortrag von Sylk Schneider, Weimar, am 6. Januar 2015

In den Jahren 1815 bis 1817 war Prinz Wied zu Neuwied auch in Brasilien. Seine Beschreibungen der Natur- und Pflanzenwelt Brasiliens mit Zeichnungen und Naturgemälden war beeindruckend. Er entdeckte in Bahia eine neue Pflanze, eine brasilianische Malvenart, die er „Goethea“ nannte. Bis heute ist damit Goethes Name als „Brasilianist“ geehrt.
Ritter von Martius, ein junger Mann, der mit seinen Werken („Flora Brasiliensis“ und „Über die Palmenarten Brasiliens) Bedeutendes schuf, war einer der wichtigsten Gesprächspartner Goethes. Er nahm, so heißt es, nur zwei Bücher nach Brasilien mit: die Bibel und Goethes „Faust“. Es gab auch einen regen Briefwechsel zwischen den beiden.
Zitat: „Die berühmte Reise in Brasilien von Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Phillipp von Martius ist bis in die heutige Zeit ein Referenzwerk für Historiker, Naturkundler und Brasilienforscher. Es ist daher nicht verwunderlich, dass dieses große Werk auch den Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe in seinen Bann zog, der sich damals, schon in hohem Alter, gerade dem zweiten Teil des ,Faust‘ widmete. „Das Interesse an Brasiliens Flora und Fauna im damaligen Weimar war groß; es ist daher bezeichnend, dass auch in Goethes Bibliothek Studien zu diesen Themen zu finden waren. Dies wiederum regt uns an, darüber nachzudenken, wie sehr Brasilien die Phantasie Goethes beflügelt haben könnte …“ (Aus dem Grußwort des bras. Botschafters Correa in Deutschland)
Goethe hatte gern Gäste zu Besuch, auch Brasilien-Reisende, die er befragte, weil er im hohen Alter selbst nicht mehr reisen konnte.
1822 erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit, die von Deutschland auch anerkannt wurde. Die deutsche Einwanderung nach Brasilien, von der österreichischen Prinzessin Leopoldina, Gemahlin von Kaiser Pedro I., gezielt gefördert, nahm 1824 ihren organisierten Anfang.
Der Dichterfürst Goethe – oder, wie es Dr. Ernst Feder 1932 ausdrückte: Goethe der Brasilianer – hätte zumindest in Gedanken einer von ihnen sein können.
„Goethea“
1932, zum 100. Todestag Goethes, wurde in Rio de Janeiro ein Naturschutzgebiet der „Goethea“ zu Ehren errichtet. In vielen Botanischen Gärten wird dieser brasilianischen Malvenart Ehre erwiesen und auf die Verbindungen zu Goethe und Goethes Brasilieninteresse hingewiesen.

„Ergetzen ist der Musen erste Pflicht. Wieland zum Vergnügen“

Vortrag von Dr. Egon Freitag, Weimar, am 2. Dezember 2014

ausführliche Fassung, mit ergänzenden Anmerkungen eines Vortrags in Gera

Christoph Martin Wieland (1733 – 1813) war Deutschlands erster Bestseller-Autor, einige Zeitlang der meistgelesene und höchstbezahlte deutsche Schriftsteller. So zahlte ihm der Leipziger Verleger Reich für den Staatsroman „Der goldene Spiegel“ 633 Taler, während Goethe für sein Trauerspiel „Stella“ von seinem Berliner Verleger Mylius lediglich 20 Taler erhielt. Wielands Werke wurden zu dessen Lebzeiten bereits in 13 Sprachen übersetzt. Bleibende Verdienste erwarb er sich als Verseerzähler, Romancier, Übersetzer (Shakespeare), Herausgeber und Redakteur (Zeitschrift: „Der Teutsche Merkur“). Er verfasste das erste deutsche Singspiel, nämlich „Alceste“, und schuf als Autor des „Agathon“ den ersten modernen psychologischen Roman in Deutschland.

Er bereicherte den Wortschatz der deutschen Sprache zum Beispiel mit Elfe, Fee, Milchmädchen, Aufklärung, Staatsbürger, Fortschritt, Weltall, Sicherheitsklausel, Wortbrecher, Clique, heimatlos, schmerbäuchig, Teufelspförtner und viele andere. Er schuf auch das Sprichtwort: Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht – aus dem “Musarion”.

Er – und nicht Goethe – prägte auch zuerst den Begriff der Weltliteratur.

Er gab der deutschen Dichtkunst ihre leichte, geschmeidige und graziöse Gestalt. Erfrischend heiter wirken seine Verse heute noch, z. B.

“Ein Busen reizt, der jugendlich gebläht,

Die Augen blend’t und niemals stille steht.”

Herzogin Anna Amalia war begeistert vom Staatsroman “Der goldene Spiegel”, das die Fürsten zu Humanität und wohltätiger Staatskunst für ihre Völker verpflichtete. Er war Prinzenerzieher für die beiden Herzogssöhne, den Erbprinz Carl August und Constantin. Der junge Goethe konnte das Erscheinen des Versromans “Musarion” kaum erwarten, er besorgte sich bereits die Aushängebogen aus der Druckerei.

Wieland wurde als Sohn eines Pfarrers in dem oberschwäbischen Dorf Oberholzheim bei Biberach geboren. Die Familie zog nach Biberach. Er war Student an der Erfurter Universität. Dann sollte er in Tübingen Rechtswissenschaft studieren, verlegte sich aber auf die Dichtkunst. Hier verfasste er sein Erstlingswerk “Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt”. Das 4000 Verse (Alexandriner) umfassende Gedicht erregte viel Aufsehen. Acht Jahre lebte Wieland in Biberach, lernte dort seine Verlobte, diespätere erfolgreiche Schriftstellerin Sophie la Roche (“Das Fräulein von Sternheim”) kennen. Die Verlobung ging allerdings in die Brüche. Er lebte auch eine Zeitlang in Zürich, bei dem berühmten Professor und Literaturkritiker Bodmer. Selbiger vertrat mit seinem Kollegen Breiting die Ansicht, die Poesie müsse das Schöne nicht allein im Verstand, sondern auch im Gefühl und in der Phantasie suchen. Dies stand den Auffassung des deutschen Literaturpapstes Gottsched schroff entgegen, der auf ästhetischen Regeln nach französischem Vorbild bestand.

Bei Bodmer verliebte sich die Dienstmagd Babet, “eine junge Dralle”, leidenschaftlich in Wieland. Nächtlich überfiel sie ihn in seinem Zimmer. Er rief Bodmer um Hilfe. Bodmer schilderte den Vorfall so: “Sie ward vor Liebe gegen den Faun zur Närrin. Er verriegelte jede Nacht sein Schlafzimmer und legte seinen rostigen Degen entblößt auf die Bettdecke, wenn sie auf ihn einbrach und ihn notzüchtigen wollte, um sich zu schützen.”

Wieland lebte auch eine Zeitlang in Bern, wo er als Hauslehrer tätig war und die geistreiche Patriziertochter Julie von Bondeli kennenlernte. Auch diese Verlobung war nicht von Dauer.

1760 wurde Wieland Senator und Kanzleiverwalter in seiner Heimatstadt Biberach. Er steckte dort zwischen Pflicht und Neigung, zwischen Amtsschimmel und Pegasus. Oft steckte er bis über beide Ohren “in den muffigten Papieren” und stöhnte: “Wie können verse sich mit Akten vertragen?” Dennoch war es eine produktive Zeit. Er schuf dort die erste Shakespeare-Übersetzung (“Der Sturm”). Es war die erste Shakespeare-Aufführung in deutscher Sprache (1762).

Während eines Konzerts zum Cäcilienfest im November 1761 lernte er die 19-jährige Sängerin Christine Hogel kennen. Er war damals 28 Jahre alt, hatte mit ihr die erste wiklich sinnliche Liebesbeziehung.Er wollte sie heiraten, jedoch war er evangeisch, sie katholisch. Dies sorgte für einen Skandal.Auch als sie ein Kind von ihm bekam, führte dies nicht zur Aussöhnung. Er musste ihr entsagen.

1764 erschien Wielands erster Roman “Der Sieg der Natur über die Schwärmerei oder die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva”. Er bezeugt den Wandlungsprozess von einem Schwärmer zu einem skeptisch-realistischen Beobachter und zu einem Aufklärer. Bodmer höhnte enttäuscht: “Wielands Muse ist eine Metze geworden, die sich dem leichtfertigsten Leser in die Arme wirft”. Die Dichter des “Göttinger Hains” zündeten während einer Klopstock-Feier ihre Fidibusse mit dem Papier des Wieland’schen Werkes an und verbrannten wohl auch ein Exemplar des Buches. Wieland galt als großer Sünder und Sitenverderber. Die Weimarer Kirchenzensur verbot anfänglich ebenfalls seine Werke.

Wieland setzte sich vehement für Sinnenlust und natürliche Sexualität ein. Und er war ein treu sorgender Ehemann und Familienvater. Mit seiner Anna Dorothea, einer Augsburger Kaufmannstochter, hatte er 14 Kinder, aber nur neun erreichten das Erwachsenenalter. Anna Amalia: “Wieland hat schon wieder taufen lassen.” 1797 zogen sie nach Oßmannstedt. Der “Agathon”, der erste Entwickungs-, also psychologische Roman, in aufklärerischer Absicht entsteht: “Ergetzen ist der Musen erste Pflicht, und spielend geben sie den besten Unterricht.”

Agathon, ein junger Grieche, gelangt nach einem wechselvollen Leben mit allerlei Missgeschicken schließlich zu ästhetischer Moralität, gebildeter Sittlichkeit, einer humanitären Haltung und zu geistiger Unabhängigkeit. Der Roman trägt autobiografische Züge.

 

Leben und Werk des Verlegers Cotta

Vortrag von Dr. Bernhard Fischer, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, am 4. November 2014

Johann Friedirch Cotta wurde 1764 geboren. Er gehörte mit Bertuch und Göschen zu den damals berühmtesten Verlegern Deutschlands. Er hat viele Werke berühmter Dichter verlegt, zum Beispiel „Wallenstein“ (Schiller) und den „Faust“ (Goethe), des Weiteren Werke von Herder, Fichte, Uhland, Jean Paul und Forster. Unter seiner Regie entstanden erstmals Werksausgaben. Er verlegte Schillers Horen, gründete die „Allgemeine Zeitung“, den Musen-Almanach“ und das „Morgenblatt für gebildete Stände“ und entwickelte dabei einen rastlosen Geschäftssinn. Bei ihm versammelte sich alles, was Rang und Namen hat, so auch die Romantiker und Vertreter des „Jungen Deutschland“. Insgesamt handelt es sich um ca. 1500 Autoren. Cotta gilt als Universal-Verleger. Er erlebte einen kometenhaften Aufstieg. Er übernahm 17000 Gulden Schulden beim Kauf der Druckerei.

1819 überschreitet sein Umsatz die 1-Million-Gulden-Grenze. Im Jahr verdiente er nun 80 0000 Gulden. Er legte eiserne Disziplin, einen untadeligen Charakter und viele Talente an den Tag. Von ihm sind keine autobiografischen Zeugnisse überliefert; alles, was wir von ihm wissen, stammt aus Briefen. Seine Autoren sind ihm Geschäftspartner.

Er äußerte sich nicht zu Politik oder Klatsch. Er holte aber politische Meinungen ein. Er trieb seine Autoren nicht an. Er blieb ihnen gegenüber nachsichtig und verpflichtete sie sich durch seine Generosität. Er zahlte ihre Honorare nach deren Genialität. So erhielten beispielsweise Schiller 35000 Taler, Goethe 150000 Taler.

Er praktizierte zugleich Vertragsfreiheit. Bei jeder Neuauflage partizipierten die Autoren davon. Cotta erwies sich ebenso als Vorreiter der Autorenrechte. Er war somit entschiedener Gegner räuberischer Raubdrucke, setzte sich während des Wiener Kongresses für ein Verbot von Nachdrucken und für Pressefreiheit ein.

Seine verlegten Bücher erweisen sich sowohl als nützlich-belehrend-unterhaltend als auch als marktgünstig.

Er erwarb ebenso Landgüter, versuchte sich dort in rationalisiertem Landbau. Er trug maßgeblich zur Aufhebung der Leibeigenschaft in Baden-Württemberg bei. Er gründete auch eine Tuchfabrik, eine Flachsspinnerei und eine hochmoderne Papierfabrik. Cotta erwies sich als Pionier der Dampfschifffahrt auf Bodensee und Rhein. Dort gab es von Basel bis zur Mündung bereits Dampfschifffahrtsgesellschaften mit abgestimmten Fahrplänen.

Cotta war ebenso an der Erarbeitung einer Verfassung für Baden-Württemberg beteiligt, stand jedoch als Vermittler des Verfassungswerkes auf verlorenem Posten. Er hoffte auf den neuen König Wilhelm I., doch er wurde enttäuscht. Dennoch kam er zu hohen Ehren, wurde sogar in den Ritterstand erhoben. Er avancierte zum Mitglied des Ständigen Ausschusses zwischen den Landtagen, wurde sogar Vizepräsident des Landtages.

Cotta schlägt sich in den weiteren politischen Auseinandersetzungen auf die Seite Preußens und wirkt maßgeblich an der des des württembergisch-bayerischen, später des württembergisch-preußischen Zollvereins mit.

Nachdem die ihm wohlgesonnene Königin Katharina starb, entzog ihm der König seine Gnade. Für Bayer galt er als persona ingrata (als unerwünschte Person). Er verlor all seine Landgüter, erlitt an der Wiener Warenbörse einen herben Verlust. Cotta wirtschaftete nun am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Nur auf verlegerischem Gebiet blieb er erfolgreich. Er starb 1832.