Der Beruf der Hofdame im Allgemeinen und im klassischen Weimar im Besonderen

Vortrag von Dr. Annette Seemann, Weimar, am 2. November 2021

Die weibliche Hofhaltung war ein Spiegelbild der männlichen; war der Regent fern, regierte der weibliche Hofstaat. Daher kommt auch der Begriff Frauenzimmer: „chambre de femmes“. Eine Kemenate als Aufenthaltsort für Frauen war damit also nicht gemeint, sondern Hofstaat. Hierzu gehörten neben mehreren ‚Bediensteten eben auch die Hofdamen, gewissermaßen als Gesellschafterinnen der Regentinnen. Schon früh wurden Mädchen aus adligen Familien auf diese Aufgabe vorbereitet. Ihre Tätigkeit am Hof war jedoch auch mit Heiratsabsichten verbunden, damit endete auch ihr Dasein als Hofdame. Die Ehen auf höchster Ebene wurden per Eheverträgen geregelt, sie enthielten beispielsweise Absprachen zu Mitgift, Morgengabe, Absicherung bei früher Witwenschaft und auch, wie viele Hofdamen und Bedienstete mitgebracht werden durften. Herzogin Anna Amalia, 16 Jahre, wurde zunächst eine Hofdame zugesprochen. Sie setzte durch, dass es vier wurden.

Was hatte eine Hofdame zu tun? Sie musste schön sein, geschmeidig und geistreich in der Konversation sein, loyal und jederzeit zu Diensten sein. Sie teilte das öffentliche und private Leben der Fürstin. Eine Grundübereinstimmung in vielerlei Hinsicht war vonnöten. Hofdamen mussten auch über Menschenkenntnis verfügen, so dass sie auch miteinander auskommen konnten. Hofdamen dienten auch als Vorleserinnen, ließen sich Briefe diktieren, führten Reisetagebücher. Vielfach stammten sie aus weniger begüterten adligen Familien, wurden auf diese Weise versorgt. Sie mussten Weiteres beherrschen: zum Beispiel Tanzen, Französisch, Musikinstrumente spielen, Schreiben, Geografie, Geschichte, Religion, Kunst, Literatur, allerdings genügten hierfür einfache Kenntnisse. Sie mussten allem Neuen gegenüber aufgeschlossen sein.

Als Anna Amalia nach Weimar kam war sie hinsichtlich ihrer Umgebung schockiert. Als sie bereits 1758 Witwe wurde, reduzierte sie ihren Hofstaat. So entließ sie aus Rachsucht den bisherigen Premierminister Heinrich von Bünau. Der hatte dem Herzog und ihr die Schatullengelder entzogen, so dass er bei Ausgaben jedes Mal gefragt werden musste. Sie schaffte einige Hofämter ab. Ihren dynastischen Pflichten ist die Herzogin trotz des frühen Todes ihres Mannes noch gerecht geworden; sie gebar ihm zwei Söhne, Carl August und Friedrich Ferdinand Constantin. Als Witwe wurde der 18-Jährigen ihr Herzogtum von den kleinen Nachbarstaaten streitig gemacht. Mit Hilfe ihres Vaters konnte sie diese Ansprüche zurückweisen. Beim Kaiser in Wien wurde sie als volljährig erklärt. Allerdings regierte sie das Herzogtum als Stellvertreterin ihrer unmündigen Söhne. Sie durfte sich auch nicht wieder verheiraten, sie hätte sonst ihr Herzogtum verloren. Zunächst hatte sie sich mit zwei Hofdamen begnügt. Auf Grund ihrer nunmehr stark gehobenen Stellung wuchsen die Repräsentationspflichten; so kamen etliche Bedienstete hinzu: zum Beispiel Kammerfrauen, geringere Kammerjungfern, Garderobenmädchen, Sekretär, Kammerlakaien, Exerziermeister (Lehrer), Mundschenk, Pagen, Küchenmeister, Kutscher. Sie stellte nun auch drei Hofdamen ein, darunter Charlotte von Schardt, die spätere Charlotte von Stein. Wie wurde die Schardt ausgebildet? Ihre Mutter war sehr fromm, dies schlug sich auch auf die Tochter nieder, sie war sehr zurückhaltend, ernst und distanziert, dabei ausgeglichen und sanft. Sie beherrschte Reiten, Tanz, Musik, Französisch. 1763 bewarb sich Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein um die 21-Jährige. Er war wohlhabend, besaß das Schloss Kochberg. Es war eine standesgemäße Partie. Das Paar wurde im Residenzschloss getraut – ein großer Gnadenbeweis der Herzogin. Anna Amalia hatte die gesamte Hochzeit ausgerichtet. Aber der Ehemann entsprach nicht den hohen geistigen Ansprüchen Charlottes. Schiller meinte über ihn: „Sein Verstand ist in täglicher Gefahr“. Und sinngemäß: Die Männer dieser Familie sind so dumm wie das Sprichwort, die Weiber indes sehr gescheit. Eine Ursache  war ein Sturz des Oberstallmeisters, wobei ihm ein Splitter ins Hirn gedrungen war. Charlotte erlebte sieben recht schmerzvolle Geburten. Die vier Töchter starben, die drei Jungen überlebten, Fritz war ihr der liebste. Nach ihrer Heirat endete ihre Karriere als Hofdame, als Gast war sie jedoch bei Hofe gern gesehen.

Eine weitere wichtige Hofdame war Luise von Göchhausen, ein verwachsenes, kleines Wesen. Sie kam 1772 zu Anna Amalia. Zunächst erhielt sie kein Gehalt. Nach dem Schlossbrand 1774 zog sie mit der Herzogin ins Wittumspalais, wo sie zwei Mansardenzimmer bewohnte. Sie erweiterte ihren Handlungsspielraum, sie korrespondierte mit Goethes Urfreund Knebel und mit Goethes Mutter, die sie in Frankfurt/M. auch kennenlernte. Sie war eine sehr lustige, zu Scherz und Schalk aufgelegte Person. 1781 zog sie mit der Herzogin zu deren Sommersitz Schloss Tiefurt. Dort hatten nur wenige Menschen Zutritt, höchstens Gäste. Sie wirkte am „Journal von Tiefurt“ mit, das in vierzig Heften zu je elf Exemplaren publiziert wurde. Es versprühte vor allem den spielerischen Geist der beiden Frauen; einen künstlerischen „Dilettantismus“, wie ihn die Herzogin mochte. Auch Goethe hat daran lange Zeit mitgewirkt, zum Beispiel mit der „Ode auf Miedings Tod“ oder auch „Die Fischerin“. Nach Goethes Italienreise kam der Bruch mit dem „Dilettantismus“.  Um den rang Weimars zu erhöhen, galt es nun ernstes, professionelles künstlerisches Bestreben. Mit Herzog Carl August wurde besprochen: Unser Pfand ist die Kultur nicht mehr der Dilettantismus. Aber es gab den Wunsch der Herzogin, das Theater als Intendantin zu übernehmen. Goethe und Carl August wurden sich einig, dass dies auf keinen Fall erlaubt werden dürfe. Man setzte auf großes Theater, auf große Kunst mit professionellen Schauspielern. Schillers Dramen wurden gegeben, auch Komödien. Die Schauspieler wurden bezahlt. Goethe wurde Theaterdirektor. Die Herzogin zog sich ob dieser Zurücksetzung zurück.

Herzogin Luise besaß vier Hofdamen. Nach 1800 wurde deren Besoldung hochgestuft, von 75 Reichstalern auf 330 pro Jahr. Auch die weiteren Domestiken erhielten höhere Gehälter. Daneben besaßen die Hofdamen natürlich verschiedene Privilegien: frei Kost und Logis, Deputate, Brennholz, Wachs oder Talglicht, beim Tod der Fürstin eine Pension, wobei sie allerdings ausziehen mussten. Vieles änderte sich nach 1800, alles wurde nun in Geld ausgezahlt. Man lebte gewissermaßen nicht mehr in „einer Familie“.

Die russische Zarentochter Maria Pawlowna kam 1804 nach Weimar. In 55 Kutschen wurde ihr Hausrat mitgeführt. Sie bestand gegenüber ihrem Mann Carl Friedrich auf ihren Hofstaat. Der Kompromiss, auch aus Spargründen: Zwei Hofdamenstellen wurden abgeschafft, dafür drei Hoffräulein „eingekauft“. Die verdienten natürlich weniger. Höherer Rang erforderte mehr Personal. Sie bezogen Zimmer im Schloss, wurden zu ihren Aufgaben gerufen. Sie waren gebildet. So war Ottilie von Donnersmarck eine begabte Laienschauspielerin, Julie von Egloffstein eine tüchtige Zeichnerin, Henriette von Pogwisch begründete eine französische Lesegesellschaft, in ihren Zirkeln war auch Goethe tätig. Andere waren Schriftstellerinnen oder komponierten. Maria Pawlowna gründete viele soziale und kulturelle Einrichtungen.

Der Beruf der Hofdame überlebte das gesamte 19. Jahrhundert. Auguste von Watzdorf war Hofdame bei Großherzogin Sophie. Sie erhielt 1650 Mark jährlich. Sie galt als weibliche Repräsentantin neben dem Großherzog als „Staatsdame“. Mit ihrem Gehalt war sie keineswegs zufrieden, schließlich erhielt sie 4200 Mark jährlich und eine Dienstwohnung, Personal, Equipage und einen Haushalt, der ihrer Stellung entsprach. Sie stellte sich sozialer Verantwortung, bekleidete recht selbstbewusst ihr Arbeitsverhältnis. Weniger erfolgreich war ihrerzeit Luise von Göchhausen. Sie hatte 32 Jahre lang treu gedient. Doch nach dem Tod von Anna Amalia musste sie ihre Zimmer im Wittumspalais räumen. So erfuhren die Hofdamen nicht immer eine gnädige Behandlung.