Schillers Idee der Freiheit – Heute

Vortrag von Hanskarl Kölsch, München, am 30. Septemer 2025

Der Referent zog mehrere Werke Schillers heran, um dessen Idee der Freiheit zu illustrieren. Im Weiteren wird der Gedankengang wiedergegeben – unter Verzicht auf direkte Werkezitate. Zu Beginn bezog sich der Referent auf „Don Carlos“. Marquis Posa bemerkte, dieses, (sein) Jahrhundert sei für sein Ideal nicht reif. Er lebe als Bürger jener Jahrhunderte, die dereinst noch kommen werden. Posa ist der Ansicht, nur Carlos sei in der Lage, die Vision eines freien Staates zu verwirklichen. Posa opfert sich nach Intrigen (Liebe Carlos zu seiner Stiefmutter, der Gemahlin des Königs und Vaters wird ruchbar, Briefaffäre der Prinzessin Eboli) seinem Freund. Posas Ideal ist die Vision Platos: Das Wahre, Schöne und Gute sind Eines. Von der Eigenliebe schreitet der Mensch zur Nächstenliebe und von da zur Liebe zu allen Menschen. Carlos geht in den Kerker. Der Vater, der spanische König Philipp II., ist untröstlich, hat er doch eine natürliche Zuneigung zu seinem Sohn. Er befragt den Großinquisitor, selbiger antwortet: „Geben Sie ihn mir, vor der Kirche gibt es keine Stimme der Natur.“

Auch im „Wallenstein“ wird das Thema Freiheit behandelt. Selbiger will handeln, ohne schuldig zu werden. Doch hat Wallenstein dem Kaiser Treue geschworen. Bedeutsam ist in diesem Sinne der Monolog im dritten Akt. Wallenstein kann sich nicht entscheiden, ohne schuldig zu werden. Es gelingt ihm nicht. Somit bleibt er unfrei. Dabei hatte er doch die Möglichkeit, Europa zusammenzuschweißen.

Die Hinrichtung der schottischen Königin Maria Stuart (1542–1587) nach langer englischer Gefangenschaft übernimmt Schiller als Theaterstoff aus dem festen Repertoire des europäischen Dramas. Hier steht Lord Leicester zwischen zwei Frauen. Bedeutsam ist wieder der dritte Akt. Darin treffen sich die beiden Rivalinnen (historisch nicht passiert) Maria und Elisabeth, Königin von England. „Der Thron von England ist von einem Bastard entehrt“, so lautete Marias Vorwurf, womit sie sich selbst das Urteil spricht. Angesichts des bevorstehenden Todes findet sie zu einer vollkommenen Harmonie ihrer Seelenkräfte, zu einem Ausgleich mit der Welt und mit Gott. Dies führt nicht zu einer Unterdrückung ihrer Gefühle, sondern, wie sich bei ihrer letzten Begegnung mit Leicester zeigt, zur Fähigkeit, sie souverän und angemessen zu artikulieren. In diesem Drama wird Maria Stuart – ein schon entseelter Geist – zur schönen Seele der Weimarer Klassik. Sie schwingt sich empor zur ewigen Freiheit. Auch sie verkörpert das Wahre, Schöne und Gute.

Auch die „Jungfrau von Orleans“ erfährt ein dramatisches Schicksal im Namen der Freiheit. Ihr wird geweissagt: Solange du Männerliebe nicht erfährst, wirst du dein Volk retten. Dies ist ihr göttlicher Auftrag. Doch sie erfährt die höchste Freiheit in ihrer Freiheit des Willens. Damit verliert sie jedoch ihren göttlichen Schutz. Doch ihr bleibt die Gewissheit: Nur die Liebe kann alles lösen.

In „Wilhelm Tell“ verkörpert Landvogt Geßler die Idee des Bösen. Er will, dass der Mensch den Menschen vernichtet. In dem Schauspiel geht es um den erfolgreichen Widerstand der drei Schweizer Waldkantone Uri, Schwyz und Unterwalden gegen den Versuch des habsburgischen römisch-deutschen Königs Albrecht, die Kantone seiner Hausmacht einzuverleiben. Die Hauptfigur Wilhelm Tell wird gegen seinen Willen in den politischen Konflikt hineingezogen, als der grausam regierende Landvogt ihn zwingt, auf einen Apfel zu schießen, der achtzig Schritte entfernt auf dem Kopf seines Sohnes liegt. Tell ermordet, nachdem er den Apfel getroffen hat und dennoch gefangen gesetzt wird, den Landvogt und provoziert damit die vorzeitige Ausführung des von einer größeren Verschwörung bereits geplanten Aufstands. Notwehr gegen Gewaltherrschaft ist das eigentliche Thema. Freiheit ist ein Naturrecht, doch nur der Mensch wird womöglich zunächst in Fesseln geboren.