Archiv für den Monat: Februar 2016

Lenzens Eseley – der Konflikt zwischen Lenz und Goethe

Vortrag von Dr. Thomas Frantzke, Leipzig, am 2. Februar 2016

Goethe und Lenz verfolgten unterschiedliche literarische Konzepte, die führte zu Kobflikten. Der Pfarrersohn stammt aus Livland und wurde streng lutherisch erzogen. Er studierte in Königsberg Theologie, wurde jedoch dispensiert. Er kam mit den Brüdern Kleist nach Straßburg, hat sich dort um die Brion gekümmertm wie er überhaupt eine merkwürdige Affinität zu Goethes Frauenbekanntschaften, so auch zur Stein, ebenso zu G. Schwester an den Tag legte. Er folgt Goethe nach Weimar. Wieland war schon dort. Goethe versank schon im „Genietreiben“, lebte sehr ausschweofend mit dem Herzog. Sobald aber Goethe in den Amtsdienst trat, zügelte er sich, verhielt sich zudem sehr diplomatisch. Im Juni 1775 kam Klinger dazu, so war fast die Hälfte der berühmten Stürmer und Dränger in Weimar versammelt. Für Lenz kamen glückliche Monate, er war beliebt, oft im „Ständehaus“ (der heutigen Musikhochschule) beim Herzog und seinem Kreis zu Gast. Es gab auch Kontakte zum Göttunger Hain.
Lenz fühlte sich also zunächst recht wohl. Er wohnte im „Erbprinzen“. Klinger trat der illustren Gesellschaft bei, und „Goethe war unser Hauptmann“, resümiert Lenz. Es ändert sich, als G. Seine Ämterlaufbahn betrat. Er musste es Fritsch (nach heutigem Sprachgebrauch: dem Ministerpräsidenten) beweisen. So stürzte er sich nicht nur in die Amtsgeschäfte, sondern entzog sich auch weitgehend dem höfischen Leben. Lenz spart nicht mit Kritik, nicht nur wegen der Amtsgeschäfte, sondern auch wegen Goethes Beschäftigung mit dem Liebhabertheater, Es gab zuvor zwei davon: ein bürgerliches und ein adliges. Gothe führte beide zusammen und kümmerte sich angelegentlich um sie. Lenz: Wieso engagiert er sich so für Ämter und ein Laientheater? Und das bei seinen Talenten als Dichter?
Mit der Zusammenführung beider Theater schafft Goethe eine Gemeinschaft Adliger und Bürgerlicher, bekundet dabei auch moralische Ambitionen. Er will, dass sich beide Seiten für das Gemeinwohl engagieren. Doch er stößt später an Grenzen und resigniert.
Lenz zieht sich vom Hof, der ihm doch durchaus wohlgesonnen war, zurück, auch von Einsiedel, Kalb und Herder, selbst Anna Amalia stehen zu ihm. Doch er geht nach Berka und beginnt ein Einsiedlerdasein. Sie sind bemüht, Lenz zu halten, die Ausweisung, die ihm von Goethes Verstimmung droht, abzuwenden.
Warum die selbstgewählte Isolation? „Weil ich bei euch nichts tun kann.“
Zudem leidet er unter seiner abgewiesenen Lieb zu einer Adligen, Henriette von Oberkirch. Dagegen will er Werke schreiben. Dabei beschäftigt sich Lenz beileibe nicht nur mit Literatur. Er macht auch Vorschläge zur Ansiedlung französischer Handelsleute und „Manufacturisten“, um den Wohlstand des Herzogtums zu heben. Er unterbreitet auch Vorschläge zu einer Militärreform. Sie bleiben allerdings unbeachtet. Es mögen zudem gravierende Ereignisse bei den „Weltgeistern“ eingetreten sein. Dabei führte durchaus nichts „Schlimmes“ zur Entfremdung, sondern wohl tiefer liegende geistige Probleme zwischen Lenz und Goethe. Lenz nahm überdies kein Blatt vor dem Mund. All dies mag zur „Ausweisung“ geführt haben.
Lenz will Freiheit in der Literatur, somit schlägt er sogar hochkarätige Angebote aus. Er will arbeiten in seiner Einsiedelei. „Hier bin ich glücklich, nachdem ich am Hof verwittert war.“ Er kehrt dem Hof den Rücken, steht damit im Gegensatz zu Goethes Handeln, das immer auf Anpassung ausgerichtet war. Im September kam es zum Eklat. Goethe resignierend an Frau von Stein: „Ich schicke Ihnen Lenzen. Er darf Balsamtropfen schlürfen …“ 1776 verbringt er mehrere Wochen auf Kochberg. Er lehrt ihr Englisch, indem sie sich mit Shakespeare beschäftigen. Er schreibt selbstbewusst und verärgert damit Goethe zutiefst: „Die Frau von Stein findet meine Methode besser als die deinige.“
Goethe konnte keine Kritik vertragen. Daher rührt ihr Konflikt.
Goethe an Merck: „Lenz ist wie ein Kind, lasse ihm Spielzeug, wie er wirkt.“
Eine Episode ist bezeichnend. Eines Tages kam ein vornehmer, gebildeter Franzose mit einem Empfehlungsschreiben des preußischen Kronprinzen nach Weimar. Doch das hochnäsige Weimar weist ihn ab. Lenz ist empört un dringt einen unbekannten Briefadressaten, diesen unerhörten Vorfall überall öffentlich bekannt zu machen.
Der Hof bietet ihm auch Geld für seeine Abreise an. Doch dies verstößt gegen sein Ehrgefühl, denn er fühlt sich unschuldig. In einem Pasquill (einer Schmähschrift) schreibt er: „Wie lange noch werdet ihr an form und Ehre hängen?“ Allerdings lässt er dem Herzog Gerechtigkeit zukommen, der sei stets ein „gnädiger Herr“ gewesen.
Lenz wirft seine ganze Existenz in die Wagschale. Klinger ist schon abserviert worden und nun? „Lenz reist“. Goethe tut’s weh, aber er kann nicht aus seiner Haut heraus. Lenz irrt umher, er verarmt, schließlich findet man ihn tot auf der Straße in Moskau. Auch Klinger ist in Russland, in militärischen Diensten, er weiß sicherlich von Lenz, hilft ihm aber nicht.
Für Goethe ist Lenz immer ein Stachel im Gewissen, daher macht er ihn schlecht. Die Ursache ihrer Verstimmung liegt in ihren antagonistischen Auffassungen zu den Aufgaben eines Autors. „Goethe müsste Opern schreiben“, so Lenz, „keine Operetten,“ Selbst Anna Amalia wird von seiner bissigen Kritik nicht verschont, ihre Kompositionen stammen von einem „kleinen Spinettchen“.
Lenz schrebt „Henriette von Waldeck“, ebenfalls eine „Operette“. Er schenkt es Goethe. Es wird erst spät gedruckt. Mit diesem Stückweist Lenz darauf hin, dass er sich nicht anpassen will. Es weist ernsthafte Gefühle auf, handelt aber wie Goethes „Erwin und Elmire“ von verlassenen, liebeskranken Frauen. Lenz will es – wie gesagt – „ernsthaft“.
Er lehnt also den bloßen unterhaltenden Charakter eines Schauspiels ab, davon ist auch sein „Waldbruder“ bestimmt. Auch Rothe, die Hauptfigur, ist angepasst. Man ist bemüht, seinen Gegenspieler, Herz, „zurückzuholen“ – wie Lenz nach Weimar.
Herz: „Sei glücklich unter deinen leichten Geschöpfen und laß mir meine Hirngespinste. Ich erlaube euch sogar, über mich zu lachen.“
Goethes „Leila“ (Medschnun heißt) ist die Antwort darauf.